Forderungen können auf einen anderen übergehen kraft Vertrags, Gesetzes oder Hoheitsaktes. Die Abtretung regelt den rechtsgeschäftlichen Übergang kraft Vertrags.
I. Rechtsnatur
1. Grundlagen
Nach § 398 S. 1 BGB kann eine Forderung vom bisherigen Gläubiger (Zedent) durch Vertrag mit einem Dritten (Zessionar) auf diesen übertragen werden. Die Abtretung ist daher die rechtsgeschäftliche Übertragung der Forderungsinhaberschaft beziehungsweise der Gläubigerstellung und stellt somit eine Art des Gläubigerwechsels dar.
Merke
Arten des Gläubigerwechsels
1. Gesamtrechtsnachfolge
Im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gehen nicht nur einzelne Forderungen und Gegenstände über, sondern eine Gesamtheit hiervon. Klassischer Fall ist die Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB mit dem Tode einer Person.
2. Einzelrechtsnachfolge
Die isolierte Übertragung von Forderungen dagegen kann sich auf drei Arten vollziehen.
Der relevanteste Fall ist dabei die rechtsgeschäftliche Abtretung nach den §§ 398 ff. BGB.
Denkbar ist auch ein automatischer, d.h. gesetzlich angeordneter Forderungsübergang, wie zum Beispiel in § 426 II, § 774 I 1 BGB oder § 86 I 1 VVG.
Ein Forderungsübergang kann auch durch Hoheitsakt erfolgen, beispielsweise durch Pfändung und Überweisung der Forderung, vgl. §§ 829, 835 ZPO.
Da sie auf eine unmittelbare Rechtsänderung (Übergang der Forderung auf den neuen Gläubiger in der Form, in der sie zum Zeitpunkt der Abtretung bestand) gerichtet ist, ist sie ein Verfügungsgeschäft. Im Unterschied zu sachenrechtlichen Verfügungsgeschäften ist dieses nicht auf die Übertragung einer Sache, sondern auf die Übertragung einer Forderung gerichtet. Daher ist die Abtretung anders als die sachenrechtlichen Verfügungsgeschäfte auch im allgemeinen Teil des Schuldrechts in den §§ 398 ff. BGB verortet.
II. Voraussetzungen
Wie auch bei den sachenrechtlichen Verfügungsgeschäften setzt die Abtretung im Wesentlichen die Einigung und Berechtigung zur Übertragung der Forderung voraus. Lediglich das Vollzugselement (beispielsweise die Übergabe des Besitzes nach § 929 S. 1 BGB) entfällt bei Forderungsabtretungen.
Klausurtipp
In der Klausur begegnet die Abtretung einem meist bei der Frage, ob der Zessionar berechtigt von dem Schuldner Zahlung verlangen kann. Es bestehen dann grundsätzlich zwei Prüfungsmöglichkeiten. Zunächst sollte man sich aber die entsprechende Dreipersonenkonstellation verdeutlichen.

Klausurtipp
Wie wird der Anspruch eines Zessionars geprüft?
Chronologische Prüfung
Zum einen kann man im Rahmen des bekannten dreigliedrigen Prüfungsaufbaus an erster Stelle, das heißt unter Anspruch entstanden, prüfen, ob die übertragene Forderung (im Verhältnis des Zedenten und Schuldners) überhaupt existiert und anschließend ob der Gläubigerwechsel stattgefunden hat (hier prüft man die Abtretungsvoraussetzungen zwischen Zedent und Zessionar). Der Vorteil dieser Prüfung besteht in der Übersichtlichkeit.
Inzidente Prüfung
Möglich ist auch, mit dem Übertragungstatbestand zwischen dem bisherigen und dem neuen Gläubiger, das heißt mit den Abtretungsvoraussetzungen, zu beginnen und dabei im Rahmen der Berechtigung inzident die Existenz der zwischen dem bisherigen Gläubiger und dem Schuldner begründeten Forderung zu prüfen.
1. Einigung durch Abtretungsvertrag
Erforderlich ist ein sogenannter Abtretungsvertrag. Dieser kommt durch zwei inhaltlich korrespondierende Willenserklärungen im Sinne der § 145 ff. BGB zwischen dem bisherigen und neuen Gläubiger zustande, mit dem Inhalt, dass die Forderung beziehungsweise die Forderungsinhaberschaft auf den neuen Gläubiger übergehen soll. Im Rahmen dieser Einigung gelten wie gewohnt die allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre.
Merke
Der Abtretungsvertrag ist nicht das Verpflichtungsgeschäft, sondern Bestandteil des Verfügungsgeschäfts, so wie auch die (dingliche) Einigung kein Verpflichtungsgeschäft ist, sondern Voraussetzung des dinglichen Rechtsübergangs.
Der Abtretungsvertrag kann grundsätzlich formfrei abgeschlossen werden. Ausnahmsweise ist die durch eine Hypothek gesicherte Forderung allerdings in der in § 1154 BGB vorgeschriebenen Form (Erteilung der Abtretungserklärung in schriftlicher Form und Übergabe des Hypothekenbriefes) zu übertragen. Mehr dazu findest hier.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 1154 BGB neben den § 398 BGB kommentieren, um an die Formvorschrift im Zusammenhang mit der Abtretung einer hypothekarisch gesicherten Forderung zu denken.
Anders als bei der Übertragung der Schuldnerstellung (beispielsweise im Wege der Schuldübernahme, siehe § 415 I BGB), gibt es bei der Übertragung der Gläubigerstellung zudem kein Zustimmungserfordernis. Der Schuldner muss grundsätzlich nicht über die Abtretung informiert werden. Bei entsprechender Nichtkenntnis wird er ausreichend über die §§ 404 ff. BGB geschützt.
a) Bestimmtheit
Die Einigung muss wie jede Verfügung dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Forderung so konkret bezeichnet wird, dass sie zumindest im Zeitpunkt des Entstehens hinsichtlich ihres Inhalts, ihrer Höhe und Inhaberschaft individualisierbar beziehungsweise bestimmbar ist.
Merke
Als Faustregel kann man sich merken, dass die Forderung bestimmt beziehungsweise bestimmbar genug ist, wenn Dritte ohne größere Zuhilfenahme erkennen können, welche konkrete Forderung Gegenstand der Verfügung ist. Andernfalls sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend.
aa) Vielzahl von Forderungen
Es können sowohl Forderungsmehrheiten als auch Einzelforderungen aus Mehrheiten übertragen werden. Maßgeblich ist nur, dass diese bestimmt genug sind. Das ist etwa der Fall, wenn alle Forderungen aus einer bestimmten Art von Rechtsgeschäft (wie bei Abtretung aller Ansprüche aus Kaufvertrag) oder mit einem bestimmten Vertragspartner abgetreten werden.
aaa) Vorausabtretungen
Bestimmtheitsprobleme in der Klausur ergeben sich vor allem bei sogenannten Vorausabtretungen, wenn also künftige Forderungen abgetreten werden. Die Rechtsprechung geht im Ergebnis davon aus, dass eine Forderung von Anfang an eher unbestimmt ist und lässt daher auch die Vorausabtretung genügen. Verwiesen wird ferner auf den Rechtsgedanken des § 185 II 1 Alt. 2 BGB. Wenn die Verfügung eines Nichtberechtigten über eine bestehende Forderung mit der Genehmigung des wahren Gläubigers nachträglich wirksam wird, müsse das erst recht gelten, wenn eine künftige Forderung in der Person des Zedenten entsteht.
Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, ob der Zessionar die abgetretene künftige Forderung unmittelbar erwirbt (Direkterwerb) oder ob ein Durchgangserwerb stattfindet. Im letzteren Fall würde die Forderung für eine juristische Sekunde im Vermögen des Zedenten entstehen, was zur Belastung mit Rechten Dritter führen könnte.
Nach der herrschenden Meinung erfolgt ein Direkterwerb immer dann, wenn im Zeitpunkt der Abtretung bereits ein Rechtsgrund für die Forderung vorliegt (wie bei der Abtretung einer Forderung aus dem mit X geschlossenen Kaufvertrag).
Klausurtipp
Sofern die Wirksamkeit einer Vorausabtretung zu prüfen ist, sollte stets auf das Bestimmtheitsprinzip verwiesen werden. Anschließend sollte die Zulässigkeit der Vorausabtretung kurz begründet werden.
Besondere Relevanz erfährt diese Thematik bei sogenannten Globalzessionen, also bei der Abtretung mehrerer künftiger Forderungen.
b) Keine Nichtigkeitsgründe
Verstößt die Abtretung gegen §§ 134, 138 BGB, ist sie grundsätzlich nichtig beziehungsweise unwirksam.
aa) § 134 BGB
Wichtigstes Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB ist § 203 StGB, der eine Strafbarkeit bei Verletzung von Privatgeheimnissen vorsieht. Dies könnte relevant werden, wenn beispielsweise Ärzte oder Anwälte Honorarforderungen gegen Patienten oder Mandanten abtreten.
bb) § 138 BGB
Klausurrelevanter ist allerdings ein Verstoß gegen § 138 BGB. Insbesondere beim Aufeinandertreffen von Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt stellt sich die Frage, ob das einen Fall des § 138 BGB darstellt. Siehe hierzu auch diesen Artikel.
2. Berechtigung
Die vorgenannte Einigung muss mit dem Berechtigten erfolgen.
Definition
Berechtigt ist grundsätzlich der verfügungsbefugte Inhaber der Forderung.
Je nach gewähltem Prüfungsaufbau ist unter Umständen an dieser Stelle inzident zu prüfen, ob die Forderung überhaupt besteht.
In jedem Fall ist zu prüfen, ob der Abtretende tatsächlich Inhaber der Forderung ist und ob er über diese auch verfügen durfte.
Merke
Hinsichtlich der Abtretbarkeit einer bestehenden Forderung gilt der Prioritätsgrundsatz. Wirksam ist immer nur die erste Abtretung, da der Zedent über eine bereits abgetretene Forderung mangels Inhaberschaft nicht mehr verfügen kann.
Ein nichtberechtigter Zedent kann aber unter den Voraussetzungen des § 185 I und II BGB (Einwilligung oder nachträgliche Genehmigung durch den berechtigten Forderungsinhaber, also dem wahren Gläubiger) wirksam über eine Forderung verfügen.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 185 BGB neben den § 398 BGB notieren, um an die Verfügungsbefugnis des § 185 BGB zu denken.
Anders als bei den sachenrechtlichen Verfügungsgeschäften ist ein gutgläubiger Erwerb der Forderung mangels Rechtsscheinträgers (im Sachenrecht dient als solcher der Besitz oder das Grundbuch - mehr dazu hier) jedoch ausgeschlossen. Eine Ausnahme hiervon ist in § 405 Fall 1 BGB geregelt sowie in Art. 16 II WechselG und § 21 ScheckG (Grund: Die Forderung ist durch ein Wertpapier oder eine sonstige Urkunde verkörpert).
Keine Ausnahme dagegen stellt § 1138 BGB bei der sogenannten forderungsentkleideten Hypothek dar. Hiernach wird das Bestehen einer Forderung lediglich fingiert, um gutgläubig die Hypothek zu erwerben. Die Forderung selbst wird dadurch nicht gutgläubig erworben (mehr dazu findest du hier).
Merke
Ein gutgläubiger Forderungserwerb ist grundsätzlich ausgeschlossen.
III. Ausschluss
Grundsätzlich ist jede Forderung übertragbar. Etwas anderes kann sich jedoch aus Gesetz oder Vereinbarung ergeben. Eine dennoch erfolgte Abtretung ist dann unwirksam.
1. § 399 BGB
So kann nach § 399 BGB eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen nicht ohne Inhaltsveränderung erfolgen kann (Alt. 1) oder wenn sie durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist (Alt. 2).
a) Abtretungsverbot bei Inhaltsänderung (Alt. 1)
Ersteres ist insbesondere der Fall bei höchstpersönlichen Ansprüchen oder solchen, die auf die Befreiung einer Verbindlichkeit gerichtet sind, zum Beispiel beim Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Urlaubsgewährung (§§ 1, 3 BUrlG) oder beim Freistellungsanspruch des Bürgen gegen den Hauptschuldner (§ 775 BGB).
b) Vertragliches Abtretungsverbot (Alt. 2)
Das vertragliche Abtretungsverbot kann sich durch ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung zwischen dem bisherigen Gläubiger und Schuldner ergeben. Auf diese Weise kann der Schuldner eine Abtretung verhindern und sich davor schützen, seine Leistung gegenüber einem neuen Gläubiger zu erbringen, den er sich nicht selbst ausgesucht hat (Gedanke der Privatautonomie). Im Ergebnis stellt das eine Ausnahme zu § 137 BGB dar, wonach die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen werden kann. Hintergrund dieser Ausnahme ist die Privatautonomie.
Wenn aber das Rechtsgeschäft, das die abgetretene Forderung begründet hat, für beide Teile ein Handelsgeschäft ist, fehlt es an dieser Schutzbedürftigkeit. Die Abtretung einer solchen Geldforderung ist dann trotz einer entsprechenden Vereinbarung wirksam (§ 354a I HGB). Dies gilt aber nicht, wenn die Forderung aus einem Darlehensvertrag stammt, deren Gläubiger ein Kreditinstitut im Sinne des Kreditwesengesetzes ist, vergleiche § 354a II HGB (Rückausnahme von der Ausnahme nach § 354a I HGB).
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 354a I HGB neben § 399 BGB notieren, um an die Rückausnahme vom Abtretungsverbot zu denken.
2. § 400 BGB
Ferner können unpfändbare Forderungen nach § 400 BGB nicht abgetreten werden, um dem Gläubiger das Existenzminimum zu erhalten. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Pfändungsgrenzen der §§ 850 ff. ZPO von Bedeutung, beispielsweise beim Arbeitseinkommen.
3. Aus sonstigen Gründen
Auch ohne gesetzliche Anordnung kann eine Abtretung wegen der besonderen Art des Rechts ausgeschlossen sein.
Dies gilt zum Beispiel bei höchstpersönlichen Familienrechten wie der ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 1353 BGB, wonach sich die Ehegatten einander zur Lebensgemeinschaft verpflichtet sind oder bei der elterlichen Sorge nach § 1626 I BGB, wonach die Eltern für das minderjährige Kind zu sorgen haben.
Klausurtipp
In einer Examensklausur sollte man sich stets kurz überlegen, ob das entsprechende Recht abtretbar ist. Dies vor allem dann, wenn möglicherweise keine anderen Probleme im Rahmen der Abtretung ersichtlich sind.
IV. Rechtsfolgen
1. Forderungsübergang (§ 398 S. 2 BGB)
Mit Abschluss des Abtretungsvertrages tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers, vgl. § 398 S. 2 BGB. Die Forderung wird also unmittelbar übertragen (= Verfügung) und geht so über, wie sie in der Person des alten Gläubigers im Zeitpunkt der Abtretung bestanden hat. Dies hat vor allem Bedeutung für mögliche Einwendungen des Schuldners im Verhältnis zum neuen Gläubiger.
2. Übergang akzessorischer Sicherungsrechte (§ 401 BGB)
Akzessorische Sicherungsrechte wie Pfandrechte, Hypotheken oder Bürgschaften gehen zudem nach § 401 BGB mit der abgetretenen Forderung auf den neuen Gläubiger über, da sie für den bisherigen Gläubiger nach der Abtretung wertlos sind.
Merke
Über den Wortlaut hinausgehend, gilt das nach herrschender Meinung auch für die Vormerkung, die ebenfalls von der zu sichernden Forderung abhängig ist (§ 401 BGB analog).
V. Einwendungen des Schuldners
Im klassischen Fall der Abtretung wird der Gläubigerwechsel ohne Mitwirkung des Schuldners vollzogen. Er muss weder informiert werden noch der Abtretung zustimmen (sogenannte stille Zession). Da er sich den neuen Gläubiger aber regelmäßig nicht ausgesucht hat (was dem Grundgedanken der Privatautonomie zuwiderläuft), darf sich seine Rechtsstellung durch die Abtretung nicht verschlechtern. Aus diesem Grund wird der Schuldner über die §§ 404 ff. BGB besonders geschützt.
Merke
(1) Eine Abtretung lässt den Schuldinhalt unberührt. Sie führt lediglich zu einem Gläubigerwechsel.
(2) Der Schuldner darf durch den Gläubigerwechsel weder einen rechtlichen Vorteil noch einen rechtlichen Nachteil erleiden.
1. Einwendungen gegen die Abtretung
Der Schuldner kann insbesondere ein vereinbartes Abtretungsverbot (§ 399 Fall 2 BGB) geltend machen.
Beispiel
G1 tritt eine Darlehensforderung an G2 ab. Als G2 den S in Anspruch nimmt, kommt das vereinbarte Abtretungsverbot ans Licht. G2 entgegnet, er habe hiervon nichts gewusst. Außerdem habe ihm G1 bei der Abtretung die Darlehensurkunde vorgelegt. Kann G2 von S Zahlung verlangen?
Anspruchsgrundlage ist §§ 488 I 2 Fall 2, 398 S. 2 BGB. Die Abtretung ist aber unwirksam wegen § 399 Fall 2 BGB. Möglicherweise ist der Einwand jedoch nach § 405 BGB ausgeschlossen. Das ist der Fall, wenn S eine Urkunde über die Schuld ausgestellt und G1 die Urkunde G2 vorgelegt hat. Da beides zutrifft und keine Kenntnis beziehungsweise ein Kennen müssen vorliegt (§ 405 BGB a.E.) besteht der Zahlungsanspruch des G2 gegen S.
2. Einwendungen gegen die Zessionsverpflichtung
Da die Abtretung ein Verfügungsgeschäft ist, gelten das Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Die Abtretung ist ein separates Rechtsgeschäft, das als Erfüllungsgeschäft dient. Daneben schließen der bisherige Gläubiger und der neue Gläubiger ein Verpflichtungsgeschäft, das zur Übertragung der Forderung verpflichtet (z.B. Forderungskauf, Sicherungsvertrag).
Mängel des Verpflichtungsgeschäfts schlagen nicht auf das Erfüllungsgeschäft durch. Ausnahmsweise gilt etwas anderes in Fällen der Fehleridentität oder Bedingungs- und Geschäftseinheit (§ 139 BGB).
Beispiel
G1 tritt eine Darlehensforderung an G2 ab. Als S von G2 in Anspruch genommen wird, wendet er ein, der Forderungskauf sei nichtig. Kann G2 von S Zahlung verlangen?
Anspruchsgrundlage ist wiederum §§ 488 I 2 Fall 2, 298 S. 2 BGB. Da die Abtretung als Verfügung abstrakt ist, lassen Mängel des Verpflichtungsgeschäfts das Verfügungsgeschäft grundsätzlich unberührt, sofern - wie vorliegend - kein Fall der Fehleridentität oder Geschäftseinheit (§ 139 BGB) vorliegt. G2 hat daher gegen S einen Zahlungsanspruch.
3. Einwendungen gegen die abgetretene Forderung (§ 404 BGB)
Der Schuldner kann nach § 404 BGB Einwendungen gegen die abgetretene Forderung geltend machen. Schließlich geht die Forderung durch die Abtretung so über, wie sie in der Person des alten Gläubigers bestanden hat. Damit bleiben alle Einwendungen hinsichtlich der Forderung erhalten, die der Schuldner im Zeitpunkt der Abtretung gegenüber dem bisherigen Gläubiger hatte.
Merke
Der Begriff der Einwendungen ist weit zu verstehen und meint sowohl rechtshindernde, rechtsvernichtende als auch rechtshemmende Einwendungen (im letzteren Fall spricht man auch von Einreden).
Der Schuldner kann also dem neuen Gläubiger entgegensetzen, dass die Forderung mangels Formwirksamkeit nicht entstanden oder durch Erfüllung erloschen oder bereits verjährt ist.
Beispiel
(1) G1 tritt eine Darlehensforderung an G2 ab. Als G2 den S in Anspruch nimmt, stellt sich heraus, dass G1 dem S die Forderung gestundet hat. Einwendungen können grundsätzlich nur dem Vertragspartner, also dem Zedenten, entgegengehalten werden (Relativität der Schuldverhältnisse). Über § 404 BGB kann der Schuldner diese Einwendungen aber auch dem Zessionar entgegenhalten, da sich seine Rechtsposition nicht verschlechtern darf.
(2) Wie (1), aber es stellt sich heraus, dass das Darlehen ein Scheingeschäft war. Auch hier kann die Einwendung dem G2 über § 404 BGB entgegengehalten werden.
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut müssen diese Einwendungen zum Zeitpunkt der Abtretung noch nicht bestanden haben, sondern es genügt, dass sie im Schuldverhältnis zwischen bisherigem Gläubiger und Schuldner begründet gewesen sein, also ihren Ursprung gehabt haben.
Beispiel
Es wird eine Kaufpreisforderung abgetreten. Erst nach der Abtretung wird ein Mangel entdeckt. Die sich daraus ergebende Einwendung ist aber bereits im Schuldverhältnis (also in der Pflicht, eine mangelfreie Sache zu verschaffen, vergleiche § 433 I 2 BGB) begründet.
Bei mehrfach wirksamen Abtretungen kann der letzte Zessionar nach § 404 BGB alle Einwendungen entgegensetzen, die dem vorherigen Zessionar zustanden.
VI. Exkurs: Aufrechnung nach einer Abtretung
Schwierigkeiten in einer Klausur ergeben sich unter anderem, wenn der Schuldner nach erfolgter Abtretung die Aufrechnung erklärt. Auf diese Weise können gleich zwei Institute des allgemeinen Schuldrechts miteinander verknüpft werden (mehr findest du dazu bei der Aufrechnung).
Im Ausgangspunkt ist zwischen zwei Konstellationen zu unterscheiden:
Die Aufrechnungsmöglichkeit gegenüber dem Neugläubiger beurteilt sich nach § 406 BGB, während sich die Aufrechnung gegenüber dem Altgläubiger nach § 407 BGB richtet.
Merke
Die Aufrechnung vor Abtretung bleibt dem Schuldner über § 404 BGB erhalten, die nach Abtretung erklärte Aufrechnung über §§ 406 und 407 BGB.
1. § 406 BGB
Gemäß § 406 BGB kann der Schuldner eine ihm gegenüber dem bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen. Dies ist insofern besonders, als es insoweit streng genommen an der Gegenseitigkeit der Forderungen im Verhältnis des Schuldners zum neuen Gläubiger (Zessionar) fehlt.
a) Bestehen einer Aufrechnungslage
Grundsätzlich setzt die Aufrechnungslage im Sinne von § 387 BGB voraus, dass der Schuldner gegen seinen Gläubiger eine gleichartige Forderung hat. Wenn nach der Abtretung der Zessionar an die Stelle des bisherigen Gläubigers tritt, hat der Schuldner gegenüber diesem regelmäßig keine Gegenforderung. Damit fehlt es an der erforderlichen Gegenseitigkeit der Forderungen für die Aufrechnungslage. Über § 406 BGB soll diese fehlende Gegenseitigkeit überwunden werden, indem trotz dessen die Aufrechnungsmöglichkeit erhalten bleibt. Dadurch wird wiederum dem Gedanken Rechnung getragen, dass der Schuldner durch die Abtretung nicht schlechter gestellt werden soll.
In zeitlicher Hinsicht ist entscheidend, ob die Aufrechnungslage schon vor der Abtretung bestand oder erst danach entsteht. § 406 BGB schützt sowohl das Vertrauen in die Erhaltung einer vor Abtretung entstandenen Aufrechnungsmöglichkeit als auch das Vertrauen in das Entstehen dieser nach Abtretung, allerdings unter verschiedenen Voraussetzungen.

Klausurtipp
In einer Klausur sollten daher im Zusammenhang mit der Aufrechnung die jeweiligen Forderungen (also die abgetretene Forderung und die Gegenforderung) auf ihren Fälligkeitszeitpunkt hin überprüft werden.v
2. § 407 I Fall 2 BGB
§ 407 I Fall 2 BGB findet Anwendung, wenn der Schuldner dem Altgläubiger nach Abtretung - in Unkenntnis über diese - die Aufrechnung erklärt.
VII. Leistung an Nichtberechtigte
Grundsätzlich führt die Leistung an Nichtberechtigte mangels richtiger Leistungsbewirkung (Leistungserbringung durch den richtigen Schuldner an den richtigen Gläubiger zur richtigen Zeit am richtigen Ort) nicht zur Erfüllung (§ 362 I BGB) – mehr dazu findest du hier.
Sofern der Schuldner jedoch nach Abtretung - in Unkenntnis der Abtretung - Rechtshandlungen gegenüber dem Zedenten (Altgläubiger) vornimmt, wird er über die §§ 407 ff. BGB geschützt.

1. Leistung an den Zedenten (§ 407 BGB)
Nach § 407 I BGB muss sich der neue Gläubiger eine an den bisherigen Gläubiger bewirkte Leistung sowie jedes andere nach Abtretung zwischen Schuldner und bisherigem Gläubiger vorgenommene Rechtsgeschäft (beispielsweise Stundung, Erlassvertrag, etc.) gegen sich gelten lassen. Der Schuldner kann befreiend an den Zedenten leisten, ohne dass der Zessionar die Leistung erhält. Dieser muss sich sodann an den Zedenten halten.
Ohne die Wirkung des § 407 I BGB würde aus den oben genannten Gründen mit der Leistung an den bisherigen Gläubiger keine Erfüllung gegenüber dem neuen Gläubiger eintreten. Es droht die doppelte Inanspruchnahme des Schuldners, wovor § 407 I BGB den Schuldner schützen soll. Dieser ist daher nur schutzwürdig, solange er keine positive Kenntnis von der Abtretung hat. Andernfalls ist es ihm zumutbar, an den richtigen Gläubiger die Leistung zu bewirken.
Merke
Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist die Vornahme der Leistungshandlung. Zu diesem Zeitpunkt darf keine positive Kenntnis vorliegen.
2. Leistung an den Zweitzessionar (§ 408 BGB)
Der Schuldner kann nach § 408 BGB auch an den Zweitzessionar („Dritten“) befreiend leisten.
Es handelt sich um Konstellationen, in denen dieselbe Forderung vom bisherigen Gläubiger mehrfach abgetreten wird. Aufgrund des geltenden Prioritätsprinzips ist nur der Erstzessionar, also derjenige, an den die Forderung zuerst abgetreten wurde, der neue Gläubiger. Der Zweitzessionar dagegen ist Nichtberechtigter und somit Dritter im Sinne von § 408 I BGB.
3. Leistung an den Scheinzessionar (§ 409 BGB)
Nach § 409 BGB kann der Schuldner zudem an den Scheinzessionar befreiend leisten, wenn der bisherige Gläubiger ihm die Abtretung angezeigt hat. Es handelt sich um Fälle, in denen die Abtretung nicht beziehungsweise nicht wirksam erfolgt ist.
In diesem Fall wird gerade die Kenntnis des Schuldners in die Abtretung geschützt. Unschädlich ist nach herrschender Meinung seine Kenntnis von der Unwirksamkeit der Abtretung. Er darf auf die Abtretungsanzeige seines bisherigen Gläubigers vertrauen. Die Abtretung regelt den rechtsgeschäftlichen Übergang kraft Vertrags.