I. Überblick
§ 823 II BGB ordnet eine deliktische Haftung für die Verletzung des objektiven Rechts an. Im Gegensatz zur Haftung nach § 823 I BGB wird also nicht wegen der Verletzung subjektiver Rechte gehaftet.
Wer ein Schutzgesetz verletzt, ist dem Geschützten zum Ersatz des daraus resultierenden Schadens verpflichtet. Die Verletzung eines Rechts oder Rechtsguts ist nicht erforderlich. § 823 II BGB erfasst im Gegensatz zu § 823 I BGB auch reine Vermögensschäden.
Der Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB hat die folgenden Voraussetzungen:

II. Voraussetzungen im Einzelnen
1. Verletzung eines Schutzgesetzes
Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB setzt die Verletzung eines Schutzgesetzes voraus.
a) Vorliegen eines Schutzgesetzes
Definition
Unter einem Schutzgesetz ist jede Rechtsnorm zu verstehen, die nicht nur die Allgemeinheit, sondern (auch) einzelne Bürger schützt.
Nach Art. 2 EGBGB ist mit „Gesetz“ im Sinne des BGB sowohl jede BGB - Vorschrift als auch jede sonstige Rechtsnorm gemeint. Es kann sich damit auch um Verordnungen oder Satzungen handeln.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den Art. 2 EGBGB neben den § 823 II BGB kommentieren, um zu wissen, wie das Merkmal „Gesetz“ zu verstehen ist. Beispiele für Schutzgesetze sind §§ 223 ff. StGB, §§ 253 ff. StGB, §§ 263 ff. StGB; § 858 I BGB
In aller Regel solltest du hierauf allerdings nicht eingehen. Wenn es sich bei der fraglichen Norm um ein deutsches Gesetz wie das StGB handelt, handelt es sich ganz klar um ein Gesetz.
Sofern ein Gesetz generell als Schutzgesetz eingeordnet werden kann, stellt sich noch die Frage, ob der Geschädigte zum geschützten Personenkreis gehört und ob der konkrete Schaden im Schutzbereich der Norm liegt. Ob die Verletzung eines Schutzgesetzes auch einen Schadensersatzanspruch begründet, ist mit der Schutzzwecklehre zu bestimmen. Hiernach ist der persönliche, der sachliche und der modale Schutzbereich eines Gesetzes zu prüfen. Diese haben jeweils einen unterschiedlichen Anknüpfungspunkt.
b) Schutzbereich des Gesetzes
aa) Persönlicher Schutzbereich
Im Rahmen des persönlichen Schutzbereichs geht es darum, ob der Geschädigte zu dem Personenkreis gehört, den das Gesetz schützen will.
Beispiel
§ 21 I Nr. 2 StVG verbietet es dem Halter eines Fahrzeugs zuzulassen, dass jemand dieses ohne Fahrerlaubnis führt. Zum geschützten Personenkreis gehören andere Teilnehmer des Straßenverkehrs, nicht aber der Halter selbst.
bb) Sachlicher Schutzbereich
Unter dem Prüfungspunkt des sachlichen Schutzbereichs ist danach zu fragen, ob der konkrete Nachteil zu den Schadenstypen gehört, die das Gesetz verhindern will.
Beispiel
Ein Halteverbot im Zusammenhang mit einer Baustelle schützt nicht das Vermögen des Bauunternehmers, der durch ein falsch abgestelltes Fahrzeug bei der Ausführung der Baustelle behindert wird.
cc) Modaler Schutzbereich
Bei dem modalen Schutzbereich kommt es darauf an, ob der Schaden auf eine Art herbeigeführt wurde, der sich das Gesetz entgegenstellen will.
Beispiel
Das Verbot, vor einem Fußgängerüberweg zu halten, erfasst keine Schäden, die dadurch entstehen, dass jemand wegen Dunkelheit auf ein Fahrzeug, das im Halteverbot steht, auffährt.

c) Tatbestand des Schutzgesetzes
Sofern du das Vorliegen und die Anwendbarkeit eines Schutzgesetzes bejaht hast, stellt sich als nächstes die (offensichtliche) Frage, ob auch der Tatbestand des Schutzgesetzes erfüllt ist.
Die Verletzung eines Schutzgesetzes erfordert, dass der volle objektive und subjektive Tatbestand erfüllt ist. Bei Strafgesetzen bestimmt sich dies nach strafrechtlichen Kriterien.
Merke
Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob die verletzte Norm abstrakt Individualinteressen schützt und damit Schutzgesetz ist. Danach ist im Rahmen der Schutzzwecklehre zu erörtern, ob der konkrete Geschädigte und der konkrete Nachteil sowie die Art deren Zufügung von dem Schutzgesetz erfasst sind.
2. Rechtswidrigkeit
Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB setzt Rechtswidrigkeit voraus. Hierzu gelten die allgemeinen Ausführungen zur Rechtswidrigkeit.
3. Verschulden
Des Weiteren muss die Verletzung des Schutzgesetzes schuldhaft erfolgt sein. Nach § 823 II 2 BGB ist ein Verschulden auch dann erforderlich, wenn das Schutzgesetz selbst kein Verschulden voraussetzt. Bezugspunkt des Verschuldens ist die Verletzung eines Schutzgesetzes - das heißt: Es muss schuldhaft gegen das Schutzgesetz verstoßen worden sein.
Merke
Nach ständiger Rechtssprechung wird angesichts der Verletzung des objektiven Tatbestands eines Schutzgesetzes vermutet, dass die Verletzung schuldhaft erfolgte.
4. Schaden
Durch die rechtswidrige und schuldhafte Verletzung des Schutzgesetzes muss ein ersatzfähiger Schaden eingetreten sein. Genaueres hierzu kannst du im Schadensrecht nachlesen.