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Leistungskondiktion

Zweckverfehlungskondiktion (§ 812 I 2 Fall 2 BGB)

Teilgebiet

Bereicherungsrecht

Thema

Leistungskondiktion

Tags

Leistungskondiktion
§ 812 BGB
§ 818 BGB
§ 320 BGB
§ 780 BGB
§ 814 BGB
§ 815 BGB
Gliederung
  • I. Voraussetzungen

    • 1. Etwas Erlangt

    • 2. Durch Leistung

    • 3. Ohne rechtlichen Grund

    • 4. Faktisches Einverständnis des Leistungsempfängers

  • II. Fallgruppen

    • 1. Veranlassungsfälle

    • 2. Erwartungsfälle

  • III. Abgrenzung

  • IV. Kondiktionssperre (§ 815 BGB)

In § 812 I 2 Fall 2 BGB ist die Zweckverfehlungskondiktion als weitere Form der Leistungskondiktion normiert. Sie wird auch als condictio ob rem bezeichnet.

I. Voraussetzungen

Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 812 I 2 Fall 2 BGB sind in folgender Reihenfolge zu prüfen:

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1. Etwas Erlangt

Zunächst ist erforderlich, dass der Bereicherungsschuldner etwas erlangt hat. Was hierunter fallen kann, kannst du in diesem Artikel nachlesen. 

Definition

Als erlangtes „etwas“ gilt jeder Vermögenswerte Vorteil.

2. Durch Leistung

Außerdem muss das erlangte Etwas - wie auch bei der allgemeinen Leistungskondiktion nach § 812 I 1 Fall 1 BGB - gerade durch Leistung erlangt worden sein. Details hierzu findest du hier

Definition

Unter einer Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens zu verstehen.

3. Ohne rechtlichen Grund

Ein Bereicherungsanspruch aus § 812 I 2 Fall 2 BGB erfordert außerdem, dass etwas ohne rechtlichen Grund erlangt wurde.

Der fehlende Rechtsgrund ergibt sich bei der Zweckverfehlungskondiktion aus dem Nichteintritt oder Entfall eines Leistungszwecks.

Definition

Der Leistungszweck im Sinne des § 812 I 2 Fall 2 BGB liegt weder in der Erfüllung einer Verbindlichkeit (dann greift § 812 I 1 Fall 1 BGB) noch in der Erlangung der Gegenleistung (dann greifen wegen Leistungsstörung §§ 320 ff. BGB). Es handelt sich um einen sonstigen Erfolg, der nicht eintritt oder wieder entfällt.

Beispiel

  • Erbeinsetzung

  • Verzicht auf eine Strafanzeige

4. Faktisches Einverständnis des Leistungsempfängers

Die Zweckverfehlungskondiktion setzt voraus, dass der Leistungsempfänger mit dem vom Leistenden verfolgten Leistungszweck faktisch einverstanden ist. 

Merke

Es ist wichtig, das „Einverstanden sein“ nicht mit einer vertraglichen Vereinbarung zu verwechseln. Wenn ein wie auch immer gearteter Rechtsbindungswille besteht, ist § 812 I 2 Fall 2 BGB nicht anwendbar.

Das ist in der Regel der Fall, wenn er die Leistung in Kenntnis des Leistungszwecks entgegennimmt. Demgegenüber ist ein nicht erkennbarer Leistungszweck irrelevant.

Liegt eine Zweckbestimmung vor, schafft diese einen vorläufigen Rechtsgrund: Der Leistungsempfänger darf die Leistung so lange behalten, bis der Nichteintritt des Erfolgs feststeht.

Steht der Nichteintritt des Erfolgs fest, kann der Leistende nach § 812 I 2 Fall 2 BGB kondizieren.  

II. Fallgruppen

1. Veranlassungsfälle

Die sogenannten Veranlassungsfälle stellen unstreitig eine Fallgruppe des § 812 I 2 Fall 2 BGB dar. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass der mit einer Leistung bezweckte Erfolg den Charakter einer Gegenleistung hat, die allerdings nicht kraft Gesetzes oder Vereinbarung erzwingbar ist. Es handelt sich um einen unvollkommen synallagmatischen Vertrag.

Beispiel

Fall

X gibt bei einem Unfall gegenüber Y ein abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne des § 780 BGB ab, um ihn von einer Strafanzeige abzuhalten. Gleichwohl zeigt Y den X abredewidrig an.

Kann X bei Y das Schuldanerkenntnis kondizieren?

Lösung

X könnte einen Anspruch auf Herausgabe des Schuldanerkenntnisses aus § 812 I 1 Fall 1 BGB gegen Y haben. Dies setzt voraus, dass Y etwas durch Leistung des X ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Y hat von X das abstrakte Schuldanerkenntnis erlangt. Dieses gilt gemäß § 812 II BGB als Leistung. Auch war X nicht zur Abgabe des Schuldanerkenntnisses verpflichtet, sodass dieses ohne rechtlichen Grund erlangt wurde. Da X jedoch wusste, dass er zur Abgabe des Schuldanerkenntnisses nicht verpflichtet hat, leistete er in Kenntnis der Nichtschuld. Sein Kondiktionsanspruch aus § 812 I 1 Fall 1 BGB ist damit nach § 814 BGB ausgeschlossen. 

X könnte einen Anspruch auf Herausgabe des Schuldanerkenntnisses aus § 812 I 2 Fall 2 BGB gegen Y haben. Dies setzt voraus, dass mit der rechtsgrundlosen Leistung der Eintritt eines Erfolgs bezweckt wurde und dieser nicht eingetreten ist. X hat das Schuldanerkenntnis mit dem, für Y erkennbaren, Zweck abgegeben, dass Y ihn nicht anzeigen werde. Dieser bezweckte Erfolg hatte den Charakter einer Gegenleistung, die allerdings nicht erzwingbar ist. Da der Erfolg in Gestalt der Nichtvornahme einer Anzeige nicht eingetreten ist, besteht ein Anspruch aus § 812 I 2 Fall 2 BGB. Der Kondiktionsausschluss des § 814 BGB ist nur auf die condictio indebiti anwendbar und steht dem Anspruch aus Zweckverfehlungskondiktion nicht entgegen. Auch ist § 815 BGB nicht erfüllt. 

Im Ergebnis hat X einen Anspruch auf Herausgabe des Schuldanerkenntnisses aus § 812 I 2 Fall 2 BGB gegen Y.

Beispiel

Fall

V und K lassen beim Notar einen um 100.000 € zu niedrigen Grundstückskaufpreis beurkunden, wobei sich beide über die Formnichtigkeit des verdeckten Geschäfts im Klaren sind. Nachdem K die 100.000 € bar gezahlt hat, verweigert V die Auflassung. 

Kann K die 100.000 € bei V kondizieren?

Lösung

Ein Anspruch des K gegen V auf Herausgabe der 100.000 € aus § 812 I 1 Fall 1 BGB scheitert an § 814 BGB. K war sich über die Formnichtigkeit des verdeckten Grundstückskaufvertrags im Klaren und wusste damit, dass die Leistung der 100.000 € nicht geschuldet war.

K könnte jedoch gegen V einen Anspruch auf Herausgabe der 100.000 € aus Zweckverfehlungskondiktion gemäß § 812 I 2 Fall 2 BGB haben. Ein solcher setzt voraus, dass K mit der rechtsgrundlosen Leistung den Eintritt eines Erfolgs bezweckt hat, der nicht eingetreten ist. K zahlte die 100.000 € an V, um diesen dazu zu bewegen, die „Gegenleistung“ in Gestalt der Auflassung trotz fehlender Rechtspflicht dazu zu bewegen, freiwillig zu erbringen. Da V die Auflassung verweigert, ist der mit der Zahlung bezweckte Erfolg nicht eingetreten. K hat damit einen Anspruch aus § 812 I 2 Fall 2 BGB auf Herausgabe der 100.000 € gegen V.

2. Erwartungsfälle

Außerdem ist die Anwendung des § 812 I 2 Fall 2 BGB in sogenannten Erwartungsfällen denkbar. Hierbei handelt es sich um Konstellationen, in denen jemand in der offen gelegten Erwartung des Eintrittes eines bestimmten Erfolgs an einen anderen leistet. 

Beispiel

Fall

Jemand baut eine Immobilie um, in der dem Eigentümer bekannten Erwartung, er werde sie erben oder geschenkt erhalten.

Besteht ein Anspruch auf Wertersatz aus §§ 812 I 2 Fall 2, 818 II BGB?

Lösung

Ein Anspruch aus Zweckverfehlungskondiktion gemäß § 812 I 2 Fall 2 BGB setzt voraus, dass der mit einer rechtsgrundlosen Leistung bezweckte Erfolg nicht eingetreten ist. Fraglich ist, ob der künftige Eigentumserwerb als der mit dem Ausbau bezweckte Erfolg anzusehen ist. Dafür spricht, dass die Erwartung des Eigentumserwerbs dem Eigentümer bekannt und damit mehr als ein bloßes Motiv war. Andererseits ist es zweifelhaft, dass jemand ernsthaft glaubt, den Eigentümer einer Sache durch Verwendungen auf diese zur Übereignung zu bewegen. 

Merke

Für die Abgrenzung zwischen Motiv und Zweckvereinbarung ist entscheidend, ob der Leistungsempfänger Kenntnis von dem bezweckten Erfolg hatte und diesen gebilligt hat.

Beispiel

Hat der Ausbauende der Immobilie insgeheim die Erwartung, die Immobilie zu erben oder geschenkt zu erhalten, handelt es sich mangels Kenntnis des Eigentümers nur um ein bloßes Motiv.

Hat der Eigentümer demgegenüber Kenntnis von der Erwartung des Ausbauenden, kommt darauf an, ob der Eigentümer die Erwartung faktisch akzeptiert. Dies ist anhand einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

III. Abgrenzung

Der im Rahmen des § 812 I 2 Fall 2 BGB bezweckte Erfolg ist von einem Motiv, einer Bedingung und einer Geschäftsgrundlage abzugrenzen.

  • Motiv: War der Zweck oder die Erwartung dem Leistungsempfänger unbekannt, handelt es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum.

  • Geschäftsgrundlage: War der Zweck oder die Erwartung dem Leistungsempfänger zumindest potentiell bekannt, ist aber nicht Geschäftsinhalt geworden, handelt es sich um eine Geschäftsgrundlage.

  • Zweckvereinbarung im Sinne von § 812 I 2 Fall 2 BGB: Wurde der Zweck oder die Erwartung vom Leistungsempfänger faktisch akzeptiert, handelt es sich um eine Zweckvereinbarung.

  • Auflösende Bedingung, § 158 II BGB: Haben die Parteien sich darüber geeinigt, dass der Gütertransfer unwirksam werden solle, wenn der erwartete Erfolg ausbliebe, handelt es sich um eine auflösende Bedingung. 

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IV. Kondiktionssperre (§ 815 BGB)

Nach § 815 BGB gilt eine Kondiktionssperre. Der Anspruch aus condictio ob rem ist ausgeschlossen, wenn der Eintritt des Erfolgs von Anfang an unmöglich war und der Leistende dies gewusst oder wenn der Leistende den Eintritt des Erfolgs wider Treu und Glauben verhindert hat. 

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