Dieser Artikel behandelt den Raub nach § 249 StGB. Das Delikt ist höchst examensrelevant, weil hier zwei klassische Probleme zusammentreffen: Zum einen die Abgrenzung zur räuberischen Erpressung (§ 255 StGB), zum anderen die Verknüpfung des Diebstahls (§ 242 StGB) mit qualifizierten Nötigungsmitteln.
Es wird empfohlen, zunächst den Artikel zum Diebstahl, § 242 StGB, zu bearbeiten.
I. Allgemeines
§ 249 StGB eröffnet den 20. Abschnitt des StGB „Raub und Erpressung“ und hat eine doppelte Schutzrichtung. Die durch die Norm geschützten Rechtsgüter sind zum einen die persönliche Freiheit der Willensentschließung und -betätigung (Gewalt oder Drohung mit Gewalt) und zum anderen das Eigentum (Wegnahme).
Schon hieraus wird klar, dass es sich um ein selbstständiges zweiaktiges Delikt handelt, das den objektiven und subjektiven Tatbestand des Diebstahls gemäß § 242 StGB (Eigentumsschutz) mit einer qualifizierten Nötigung (Willensentschließung und -betätigung) verbindet.
Bei § 249 I StGB handelt es sich um ein Verbrechen i.S.d. § 12 I StGB und nicht um ein Vergehen i.S.d. § 12 II StGB, sodass sich die Versuchsstrafbarkeit aus § 12 I StGB i.V.m. § 23 I Hs. 1 StGB ergibt, und nicht etwa aus einer extra angeordneten Versuchsstrafbarkeit wie etwa beim Diebstahl (§ 242 II StGB).
1. Systematik
a) Abgrenzung Vermögens- und Eigentumsdelikte
Vernetztes Lernen
Schaue dir zur Abgrenzung der Vermögens- und Eigentumsdelikte den Artikel zu § 242 StGB an.

b) Systematik der einzelnen Delikte untereinander
§ 249 StGB (Raub) ist der Grundtatbestand.
§ 250 StGB (Schwerer Raub) ist der Qualifikationstatbestand zu § 249 I StGB.
§ 251 StGB (Raub mit Todesfolge) ist die Erfolgsqualifikation zum einfachen Raub (§ 249 I StGB) oder zum schweren Raub (§ 250 StGB), wenn dessen strafschärfende Umstände verwirklicht wurden. § 250 StGB hat damit eine Doppelfunktion als Qualifikation zu § 249 I StGB und zugleich als Grundtatbestand für § 251 StGB.
§ 255 StGB (Räuberische Erpressung) – umstrittene Einordnung:
H.L.: § 255 StGB ist Qualifikation des Selbstschädigungsdelikts Erpressung (§ 253 StGB).
Rspr.: § 255 StGB ist kein reines Selbstschädigungsdelikt; erfasst werden sowohl äußerliche Wegnahmen (Fremdschädigung) als auch äußerliche Weggaben (Selbstschädigung). Durch das zwingende Wegnahme-Erfordernis beim Raub ist § 249 StGB lex specialis zu § 255 StGB. Nach dieser Ansicht ist § 255 StGB in jedem Raub mitenthalten; der Raub ist aber keine Qualifikation der räuberischen Erpressung, weil beide denselben Strafrahmen haben.
Mehr zum Streit der Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung findest du unten im Rahmen der Wegnahme.
Aufgrund der Verweisung in § 255 StGB auf § 250 und § 251 StGB („so ist er gleich einem Räuber zu bestrafen“) hat § 255 StGB eine Doppelfunktion als Grundtatbestand für schwere räuberische Erpressung (§§ 255, 250 StGB) und für die räuberische Erpressung mit Todesfolge (§§ 255, 251 StGB).
§ 252 StGB (räuberischer Diebstahl) ist ein eigenständiges Delikt, nur raubähnlich, da es am raubspezifischen Finalzusammenhang fehlt (dazu unten).

2. Prüfungsschema

II. Objektiver Tatbestand (§ 242 StGB)
§ 242 StGB beinhaltet den objektiven (und subjektiven) Tatbestand des Diebstahls, sodass die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache verwirklicht werden muss.
1. Fremde bewegliche Sache
Hier kann auf die Ausführungen im Artikel zu § 242 StGB verwiesen werden.
2. Wegnahme
a) Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams
Auch hier kann auf die Ausführungen im Artikel zu § 242 StGB verwiesen werden.
b) Abgrenzung Raub und räuberische Erpressung
Die Abgrenzung ist einer der Klassiker des Strafrechts. Im Zentrum steht die Frage, ob es sich um eine Wegnahme (Fremdschädigung) oder eine Weggabe (Selbstschädigung durch Vermögensverfügung) handelt.
aa) Raub als Fremdschädigungsdelikt
Unstreitig ist die Einordnung des Raubes als Fremdschädigungsdelikt. Dies ist dem Wortlaut des § 249 I StGB eindeutig entnehmbar:
Zitat
§ 249 I StGB:
“Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.”
Der Begriff der Wegnahme meint unstreitig die Schädigung durch einen anderen. Es muss also ein anderer den Akt der Aufhebung des Gewahrsams beim Opfer übernehmen.
Problematisch ist hier nur, wie bestimmt wird, ob es sich um eine Wegnahme handelt und wann es sich um eine Wegnahme (also Fremdschädigung) und wann es sich um eine Weggabe (Selbstschädigung) handelt.
Problem
Wann liegt eine Fremdschädigung durch eine Wegnahme im Sinne des § 249 StGB vor?
Rechtsprechung (objektive Theorie): Entscheidend ist das äußerlich erkennbare Geschehen. Maßstab ist, ob sich der Vorgang für einen objektiven Dritten als Wegnahme darstellt. Nimmt der Täter dem Opfer die Sache aus der Hand oder reißt sie ihm ab, liegt Wegnahme vor. Übergibt hingegen das Opfer die Sache aktiv, liegt eine Weggabe vor.
Herrschende Literatur (subjektive Theorie): Die Vorstellung des Opfers ist maßgeblich. Entscheidend ist, ob das Opfer glaubt, noch eine Restwahlmöglichkeit zu haben.
Wenn das Opfer davon ausgeht, der Täter könne die Sache ohnehin mit Gewalt an sich bringen (z. B. T wird notfalls auch über die Leiche des Opfers hinweggehen), dann fehlt eine Vermögensverfügung. Das Opfer sieht sich lediglich zum Nachgeben gezwungen → Wegnahme (Raub).
Nur wenn das Opfer annimmt, dass der Täter auf sein aktives Mitwirken angewiesen ist, liegt eine Weggabe und damit räuberische Erpressung vor.
Stellungnahme:
Definition
Eine Vermögensverfügung liegt vor, wenn das Opfer – getragen von einem (wenn auch durch Zwang beeinflussten) Willensentschluss – unmittelbar auf sein Vermögen einwirkt und dadurch den Vermögensnachteil selbst herbeiführt (Tun, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt).
Die von der h.L. geforderte Vermögensverfügung zur Beantwortung der Frage, ob eine Wegnahme (Fremdschädigung) oder eine Weggabe (Selbstschädigung) vorliegt, ist damit zugleich entscheidendes Abgrenzungskriterium der Tatbestände Raub und räuberische Erpressung:
aaa) Räuberische Erpressung als reines Selbstschädigungsdelikt
Fraglich ist, ob die räuberische Erpressung ein reines Selbstschädigungsdelikt und damit quasi das Gegenstück zum Fremdschädigungsdelikt Raub ist. Dies entscheidet sich danach, ob der Tatbestand der räuberischen Erpressung (§ 255 StGB) eine Vermögensverfügung voraussetzt, welche nach der h.L. und Rechtsprechung beim Raub (§ 249 StGB) gerade fehlen muss.
Zitat
§ 255 StGB:
“Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.”
§ 253 I StGB:
“Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”
Problem
Vermögensverfügung im Rahmen der räuberischen Erpressung
Rechtsprechung: Eine Vermögensverfügung ist für § 255 StGB nicht erforderlich. Ausreichend ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen des Opfers – wie auch im Rahmen des Grundtatbestands der Erpressung (§ 253 StGB). Der Tatbestand der räuberischen Erpressung erfasst damit sowohl Fälle einer äußerlichen Wegnahme durch den Täter (Dulden/Unterlassen des Opfers) als auch Fälle einer äußerlichen Weggabe durch das Opfer (aktives Handeln). Der Unterschied zu § 249 StGB liegt allein darin, dass beim Raub zwingend eine äußerliche Wegnahme stattfinden muss, während § 255 StGB beide Konstellationen (Wegnahme und Weggabe) abdeckt. Folge: § 249 StGB ist insoweit lex specialis zu § 255 StGB.
Herrschende Lehre (h.L.): Eine Vermögensverfügung ist tatbestandlich wie auch im Rahmen des § 253 StGB erforderlich. Deshalb schließen sich Raub (§ 249 StGB) und räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB) wechselseitig aus (Exklusivitätsverhältnis)! Eine Wegnahme kann niemals zugleich eine Vermögensverfügung sein – sie würde an einem tatbestandsausschließenden Einverständnis scheitern. Entscheidend für die Abgrenzung ist daher allein das Vorliegen einer Vermögensverfügung; das äußere Erscheinungsbild des Geschehens ist unerheblich.
Bei einer äußerlichen Wegnahme, die nach dem BGH für § 249 StGB kennzeichnend ist, können nach der Ansicht der Rechtsprechung sowohl §§ 253, 255 StGB als Auffangtatbestände als auch § 249 StGB einschlägig sein; verdrängt wird dann § 255 StGB durch § 249 StGB (lex specialis). Bei einer äußerlichen Weggabe scheidet nach der Rspr. § 249 StGB aus; es kommen nur §§ 253, 255 StGB in Betracht.
Grundsätzlich bedeutet das:
H.L.: Wegnahme = unfreiwilliger Gewahrsamsverlust beim Opfer („egal, was ich mache, der Täter bekommt die Sache“)
Rspr.: Wegnahme = äußerliches Wegnehmen (Wegreißen, Abnehmen etc.)
bbb) Beispiele
Beispiel
Geldbote G hat einen Geldkoffer dabei, der mit Handschellen an seinem Handgelenk befestigt ist. T bedroht ihn mit einem Messer und verlangt den Koffer. G öffnet daraufhin selbst die Handschellen und übergibt den Koffer an T.
Für obiges Beispiel heißt das:
Herrschende Literatur:
Nach der herrschenden Literatur liegt hier keine Wegnahme und damit kein Raub (§ 249 StGB) vor, wenn G nach seiner Vorstellung eine Restwahlmöglichkeit hatte und aktiv an der Vermögensverschiebung mitwirkte. Wenn G also dachte (”ich gebe ihm lieber den Koffer, denn ansonsten, kommt T nicht daran und ich werde von ihm i. Z. schwer verletzt”) liegt eine Vermögensverfügung vor, sodass eine räuberische Erpressung (§ 255 StGB) einschlägig ist.
Wenn G allerdings meint, T käme so oder so an den Koffer (auch gegen seinen Willen), etwa wenn G denkt (”ich gebe ihm lieber den Koffer, denn wenn nicht, wird er mich erschießen und dann bekommt er ihn sowieso”), liegt Raub, § 249 I StGB (Fremdschädigung), vor.
Rechtsprechung:
Nach der Ansicht der Rechtsprechung ist die innere Haltung des Opfers ganz und gar irrelevant. Entscheidend ist nur, ob es rein äußerlich so aussieht, als würde der G den Geldkoffer übergeben. Dies ist hier der Fall, womit § 249 I StGB ausscheidet. Nach der Rechtsprechung kommt also nur § 255 StGB in Betracht.
Zu grundsätzlich unterschiedlichen Ergebnissen gelangen die Ansichten, wenn sowohl nach der h.L. (Opfer denkt, keine Wahl zu haben) und nach der Rechtsprechung (äußerliches Erscheinungsbild der Wegnahme) eine Fremdschädigung durch Wegnahme vorliegt, ein Raub aber an der von beiden Ansichten geforderten Zueignungsabsicht scheitert.
Beispiel
Auftragskiller A befindet sich nach einem fehlgeschlagenen Auftrag auf der Flucht vor der Polizei. Als er eine Woche später beim Einkaufen im LIDL von zwei Polizeibeamten erkannt wird, rennt er davon. Als er auf dem Parkplatz Oma O sieht, die gerade ihre Schlüssel zückt, um ihre Einkäufe in ihrem Porsche 911 zu verstauen, entreißt er ihr mit vorgehaltenem Schweizer Taschenmesser (2,5 cm Klinge) den Porsche-Schlüssel, setzt sich in den Wagen und fährt davon. Dabei war A - der eine Schwäche für gut betuchte Omas hat - von Anfang an klar, dass er den Porsche nach seiner Flucht vor einer Polizeistation abstellen wird, damit Oma O ihren hart verdienten Porsche wiedererlangt.
Klar ist hier:
Nach der Rechtsprechung liegt zwar eine Wegnahme (äußerliches Erscheinungsbild → entreißen) vor, allerdings fehlt es an der Zueignungsabsicht (kein Enteignungsvorsatz).
Nach der h.L. liegt ebenfalls eine Wegnahme vor, da O nicht dachte, dass sie eine Restwahlmöglichkeit hat.
Fraglich ist hingegen, ob eine räuberische Erpressung vorliegt:
Nach der h.L. kann keine räuberische Erpressung mehr gegeben sein, da § 249 StGB und § 255 StGB in einem Exklusivitätsverhältnis stehen. Wenn eine Wegnahme vorliegt, kann keine räuberische Erpressung vorliegen, da keine Vermögensverfügung vorliegt
Nach der Rechtsprechung hingegen liegt eine räuberische Erpressung vor, weil jedes Tun, Dulden oder Unterlassen für die räuberische Erpressung ausreicht (in diesem Fall, dass O es unterlassen hat, sich zu wehren). Obwohl rein äußerlich also eine Wegnahme vorliegt, kann (auch eine räuberische Erpressung, 255 StGB) vorliegen.
ccc) Delikte, die im Tatbestand des § 249 StGB angelegt sind

ddd) Streitübersicht

III. Qualifiziertes Nötigungsmittel: Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben
1. Gewalt
a) Grundsatz
Definition
Gewalt ist jeder körperlich wirkende Zwang durch eine unmittelbare oder mittelbare Einwirkung auf eine Person, die nach der Vorstellung des Täters dazu bestimmt und geeignet ist, einen tatsächlich geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden oder unmöglich zu machen.
Merke
Bloß psychisch-seelischer Druck genügt nicht.
Es muss beachtet werden, dass sich die Einwirkung nicht zwingend direkt gegen den Körper des Opfers richten muss. Auch die Einwirkung auf eine Sache kann Gewalt darstellen, wenn sie mittelbar gegen eine Person wirkt und bei dieser physischen Zwang erzeugt (z. B. Einsperren durch Abschließen eines Raumes). Anders liegt es beim bloßen Aussperren, weil dabei kein körperlicher Zwang gegen das Opfer entsteht.
Die Zwangswirkung muss nicht bewusst wahrgenommen werden. Deshalb ist Gewalt auch gegenüber Schlafenden oder Bewusstlosen möglich. Problematisch wird es aber bei der Finalität, wenn das Ziel des Täters lediglich ist, das Opfer auszuschalten, um in Ruhe stehlen zu können. Dazu weiter unten beim Finalzusammenhang.
Merke
Keine Gewalt liegt hingegen vor, wenn nicht körperliche Kraftentfaltung, sondern List und Schnelligkeit das Tatbild prägen.
Das überraschende, schnelle Greifen nach einer locker gehaltenen Handtasche ist etwa keine Gewalt. Wird die Tasche hingegen festgehalten und muss der Täter hierfür verstärkt körperliche Kraft aufwenden, liegt Gewalt vor!
b) Unterscheidung vis absoluta und vis compulsiva
Obiger Meinungsstreit zur Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung hat auch Auswirkungen auf die Frage, ob eine räuberische Erpressung überhaupt vorliegen kann, wenn vis absoluta angewendet wird.
Definition
Vis absoluta meint unwiderstehlichen Zwang, der die Willensbildung des Opfers vollständig ausschaltet (z. B. Bewusstlosschlagen) oder Willensausübung unterbindet (z. B. Fesseln, Knebeln).
Vis compulsiva meint Zwang, der den Willen nicht völlig ausschaltet, sondern nur beugt (z. B. Drohungen oder Schläge, die das Opfer zum Handeln bewegen).
Liegt vis absoluta vor, ist nach h.L. keine Vermögensverfügung möglich, da das Opfer überhaupt keinen freien Willen bilden kann. Damit scheidet eine räuberische Erpressung aus, es kommt nur Raub in Betracht.
Die Rechtsprechung sieht das weniger streng: Sie lässt auch bei vis absoluta eine räuberische Erpressung zu, da für § 255 StGB ein „Dulden“ genügt – und auch das bloße Erdulden eines vollständigen Ausschaltens der Handlungsfreiheit könne tatbestandsmäßig sein.
Beispiel
T schlägt O bewusstlos, um ihre Geldbörse wegzunehmen.
H.L.: Raub (§ 249 StGB), da keine Vermögensverfügung möglich ist.
Rspr.: Möglich wäre auch räuberische Erpressung (§ 255 StGB), da O das Wegnehmen durch sein erzwungenes Dulden hinnimmt.
2. Drohung
Definition
Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt.
Beispiel
T stellt sich eines Abends Oma O in den Weg und sagt: “Entweder du gibst mir deine Handtasche oder ich werde dich töten!” Oma O denkt, sie habe ohnehin keine Wahl, übergibt ihre Handtasche in Todesangst.
Auch in diesem Beispiel wird der Meinungsstreit zur Abgrenzung von § 249 StGB und § 255 StGB relevant, denn:
Nur nach der h.L. liegt ein Raub durch Drohung vor: Oma O übergibt die Handtasche, denkt aber, sie habe ohnehin keine Restwahlmöglichkeit.
Rein äußerlich übergibt O die Handtasche dem T, sodass sich das Geschehen rein äußerlich für einen beobachtenden Dritten wie eine Weggabe darstellt.
a) Abgrenzung Drohung und Gewalt bei Waffeneinsatz
Gerade in Fällen, in denen der Täter mit einer Waffe droht, stellt sich die Frage, ob dies als Gewalt oder als Drohung mit gegenwärtiger Gefahr zu werten ist. Beide Tatbestandsalternativen des § 249 I StGB sind hier denkbar!
Abgrenzungskriterium ist die Gegenwärtigkeit:
Gewalt setzt eine sofort spürbare, aktuelle Zwangswirkung voraus.
Beispiel
T stellt sich Oma O mit einer Pistole in den Weg, drückt ihr den Lauf an die Schläfe und entreißt ihr die Handtasche.
Drohung richtet sich dagegen auf die Zukunft: Es wird ein künftiges Übel in Aussicht gestellt, das jederzeit – alsbald oder auch erst später – in einen Schaden umschlagen kann. Der Begriff der „gegenwärtigen Gefahr“ ist dabei wie in § 34 StGB zu verstehen.
Beispiel
T stellt sich Oma O mit einer Pistole in den Weg, richtet sie auf O und sagt: “Wenn du schreist stirbst du!” Sodann nimmt er ihr die Handtasche weg.
aa) Abgrenzung zum erpresserischen Menschenraub
In Konstellationen, in denen der Täter das Opfer mit einer Waffe bedroht, könnte man tatbestandlich auch an ein Sich-Bemächtigen i.S.d. § 239a StGB denken (Erlangung der physischen Herrschaft über den Körper des Opfers). Dies ist im Zwei-Personen-Verhältnis allerdings restriktiv auszulegen, um eine uferlose Ausweitung zu verhindern. Regelmäßig wird § 239a StGB daher abzulehnen sein!
bb) Abgrenzung zur Warnung
Eine Warnung liegt nur dann vor, wenn der Täter auf ein künftiges Übel hinweist, dessen Eintritt er nicht in der Hand hat und dies auch klar zu erkennen gibt. Der Täter droht also nicht, sondern verweist lediglich auf eine fremde Gefahr.
Beispiel
T stellt sich eines Abends Oma O in den Weg und sagt: “Um die Ecke steht eine Gruppe Jugendlicher, die Sie bestehlen wollen! Wenn Sie mir Ihre Handtasche nicht sofort geben, werden diese Sie mit Sicherheit auch berauben!” Oma O übergibt T panisch die Tasche.
b) Finalzusammenhang
Definition
Raubspezifischer Finalzusammenhang bedeutet, dass die Gewaltanwendung oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gerade dazu dienen muss, die Wegnahme zu ermöglichen oder zu erleichtern. Zwischen dem Nötigungsmittel und der Wegnahme muss also ein funktionaler Zweckzusammenhang bestehen.
aa) Finalzusammenhang bei aktivem Tun
Der Raub verlangt also einen Finalzusammenhang zwischen dem qualifizierten Nötigungsmittel (Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr) und der Wegnahme. Es geht also nicht um eine kausale Verknüpfung, sondern um Finalität: Die Gewalt oder Drohung muss nach der Vorstellung des Täters dazu dienen, die Wegnahme zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Damit ist die Finalität in erster Linie ein subjektives Element – entscheidend ist, wozu der Täter das Nötigungsmittel einsetzt. Allerdings hat sie auch eine objektive Begrenzung:
Nach Vollendung der Wegnahme kann kein Nötigungsmittel mehr final eingesetzt werden - wichtig ist deshalb der Zeitpunkt des Einsatzes!
Zu beachten ist noch, die Vorstellung des Täters zum Zeitpunkt des Nötigungsmitteleinsatzes:
Wird die Gewalt zunächst ohne Wegnahmevorsatz angewendet und erst anschließend der Entschluss gefasst, eine Sache mitzunehmen, reicht das bloße „Ausnutzen“ der bestehenden Zwangslage für den Finalzusammenhang nicht aus.
Beispiel
T sieht seinen Konkurrenten O, der ihm schon mehrere Kunden abgeworben hat. Er konfrontiert ihn. Der Streit artet aus und T schlägt dem O ins Gesicht. Dieser wankt und und fällt zu Boden. T sieht das Portemonnaie des orientierungslosen O in dessen Tasche und überlegt sich, dass ihm wohl ein bisschen Geld wegen der erlittenen Verluste zusteht. Er nimmt das Portemonnaie mit.
In diesem Fall liegt nur ein einfacher Diebstahl (§ 242 StGB) vor – in der Klausur ist dann an § 243 I 2 Nr. 6 StGB (Ausnutzen einer hilflosen Lage) zu denken. Ebenso an eine tateinheitlich verwirklichte Körperverletzung, § 223 StGB.
Anders, wenn die Gewaltanwendung noch andauert, während der Täter den Entschluss zur Wegnahme fasst: Dann ist der Finalzusammenhang gegeben.
Beispiel
T sieht seinen körperlich unterlegenen Konkurrenten O, der ihm schon mehrere Kunden abgeworben hat. Er konfrontiert ihn. Der Streit artet aus und T nimmt den O in den Schwitzkasten. Während sich O zu wehren versucht, kommt T der Gedanke, dass ihm wohl ein bisschen Geld wegen der erlittenen Verluste zusteht und greift dem O - während sich dieser noch im Schwitzkasten befindet - in die Tasche und entwendet ihm das Portemonnaie.
Zudem kann der Täter nach Beendigung der Gewalt auch durch ein bedrohliches Auftreten zur Drohung übergehen, sodass die Finalität ebenfalls bejaht werden kann.
Beispiel
T stößt O im Streit heftig gegen die Wand. Die Gewalt endet, als O zusammensackt. In diesem Moment fasst T den Entschluss, O die Brieftasche zu nehmen. Er beugt sich über O, ballt die Faust und sagt: „Wenn du dich jetzt wehrst, hau’ ich dich krankenhausreif!“ – und greift nach der Brieftasche.
bb) Finalzusammenhang bei Unterlassen
Umstritten ist, ob der Finalzusammenhang auch in Verbindung mit einer Gewaltanwendung durch Unterlassen gegeben sein kann.
Beispiel
T sieht seinen Konkurrenten O, der ihm schon mehrere Kunden abgeworben hat. Er überlegt sich, O zu fesseln und ihm unter Androhung von Gewalt Angst einzujagen, damit er keine Kunden mehr abwirbt. Als O gefesselt vor ihm sitzt, kommt T der Gedanke, dass ihm wohl ein bisschen Geld wegen der erlittenen Verluste zusteht. Er entwendet ihm dann unter Ausnutzung der zuvor von ihm selbst bewirkten Wehrlosigkeit das Portemonnaie.
Problem
„Raub durch Unterlassen“
Die Rechtsprechung bejaht den raubspezifischen Finalzusammenhang. Danach liegt Gewalt durch Unterlassen vor, wenn der Täter als Garant (z. B. weil er die Fesselung selbst vorgenommen hat) pflichtwidrig die andauernde Wirkung des Nötigungsmittels nicht beseitigt und dies gerade der Wegnahme dient. Die fortwirkende Gewalt wird also in den „Dienst der Wegnahme“ gestellt.
Die Mindermeinung lehnt dies ab. Mit dem Fesseln oder Knebeln sei die Gewalthandlung bereits abgeschlossen; die Zwangslage setze sich lediglich faktisch fort. Wer nun lediglich im Bewusstsein wegnimmt, dass eine bestehende Zwangslage fortwirkt, könne nicht einem aktiv handelnden Gewalttäter gleichgestellt werden. Es fehle die für § 13 I Hs. 2 StGB erforderliche Modalitätenäquivalenz.
Stellungnahme: Die Ansicht der Rechtsprechung überzeugt. Es wäre ein Wertungswiderspruch, den Täter, der bewusst die andauernde Zwangslage für seine Wegnahme nutzt, besserzustellen als den aktiv Gewalttätigen. Entscheidend ist, dass das Opfer auch während der Wegnahme einem final eingesetzten Nötigungsmittel unterliegt – ob durch aktives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen ist für die tatbestandliche Bewertung gleich.
Für obiges Beispiel bedeutet das:
Nach der Rechtsprechung liegt ein Raub vor, weil der T es pflichtwidrig unterlässt, die Zwangslage zu beenden und darüber hinaus dieses Unterlassen sodann in den Dienst der Wegnahme stellt.
Nach der Mindermeinung liegt kein Raub vor, da mit Beendigung des Fesselns, das nicht zur Wegnahme diente, die Gewalthandlung abgeschlossen ist. Weil T erst danach der Gedanke kam, diese Lage für die Wegnahme zu nutzen, handelt es sich bei dem pflichtwidrigen Unterlassen des Aufhebens der Zwangslage nicht um ein Verhalten, das der Gewaltanwendung durch aktives Tun gleichsteht.
IV. Subjektiver Tatbestand
1. Vorsatz bezüglich objektiver Tatbestandsmerkmale
Hier muss wenigstens dolus eventualis vorliegen. Dass sich dieser Vorsatz auch auf die Finalität bezieht, versteht sich von selbst, da die Finalität gerade ein subjektives Element darstellt, welches im objektiven Tatbestand zu prüfen ist, da es die beiden objektiven Tatbestandsmerkmale Wegnahme – Gewalt/ Drohung miteinander verknüpft.
2. Zueignungsabsicht
Es gelten keine Besonderheiten im Vergleich zu § 242 StGB, sodass sich alle dortigen Probleme auch hier stellen können.
V. Qualifikation
Beachtet werden muss noch, dass sowohl der Qualifikationstatbestand des § 250 StGB (Schwerer Raub) als auch der erfolgsqualifizierte Tatbestand des § 251 StGB (Raub mit Todesfolge) einschlägig sein können.
VI. Rechtswidrigkeit und Schuld
Hier sind keine Besonderheiten zu beachten. Allerdings sollte die strafrechtliche Irrtumslehre beachtet werden.