Dieser Artikel behandelt die Amtsanmaßung nach § 132 StGB. Fallkonstellationen rund um die Strafbarkeit nach § 132 StGB eignen sich wunderbar als Examensstoff, weil grundlegende Streitigkeiten in Bezug auf die Frage der Täterschaft und Teilnahme bestehen.
I. Allgemein
Systematisch steht § 132 StGB im 7. Abschnitt des StGB, Straftaten gegen die öffentliche Ordnung. Die Amtsanmaßung schützt nach herrschender Meinung nur die staatliche Autorität und das Ansehen des Staatsapparates und nicht auch Privatpersonen vor Übergriffen.
Bei § 132 StGB handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt in Form eines schlichten Tätigkeitsdelikts, sodass es keinen Taterfolg braucht.
Umstritten ist, ob die Amtsanmaßung ein eigenhändiges Delikt ist. Dieses Problem hat weitreichende Auswirkungen auf die Frage der Täterschaft und Teilnahme.
1. Problem: Täterschaft und Teilnahme bei der Amtsanmaßung
Je nachdem, ob man § 132 StGB als eigenhändiges Delikt einstuft oder nicht, ist eine Mittäterschaft beziehungsweise mittelbare Täterschaft unmöglich oder möglich. Täter eines Eigenhändigendelikts kann nur sein, wer die Tathandlung vollständig selbst vornimmt. Es handelt sich um sogenannte unvertretbare Handlungen, sodass eine Zurechnung von Tatbeiträgen nicht möglich ist.
Vernetztes Lernen
Der Begriff der unvertretbaren Handlung wird auch im BGB AT im Rahmen der Stellvertretung relevant.
Problem
Ist § 132 StGB ein eigenhändiges Delikt?
Die Rechtsprechung bejaht größtenteils die Eigenhändigkeit des Delikts. Begründet wird dies damit, dass § 132 StGB auf das Vortäuschen hoheitlicher Befugnisse abstellt - was eine persönliche Vornahme einer Amts- oder Diensthandlung voraussetzt.
Die h.L. hingegen will keine Eigenhändigkeit erkennen. Entscheidend sei der tatsächliche Hoheitsanmaßungsakt, nicht wer physisch handele. Wer den Hoheitsakt herrschaftlich steuert, soll Täter sein können.
Stellungnahme: Die Ansicht der h.L. überzeugt, denn es würde eine Strafbarkeitslücke entstehen: Wer eine andere Person gezielt zur Vornahme einer hoheitlich wirkenden Handlung instrumentalisiert, wäre nicht strafbar, obwohl der Unrechtsgehalt vergleichbar ist.
Die Frage der Eigenhändigkeit hat lediglich Auswirkungen auf die Möglichkeit der Mittäterschaft beziehungsweise mittelbaren Täterschaft. Eine Teilnahme ist hingegen unproblematisch möglich. Dabei ist zu beachten, dass die Amtsanmaßung kein Amtsdelikt ist, sondern sich gegen die Autorität der staatlichen Gewalt richtet, sodass § 28 StGB nicht anwendbar ist.
II. Prüfungsschema

III. Objektiver Tatbestand
§ 132 StGB hat zwei Tatbestandsalternativen, wobei die erste Alternative einen Spezialfall der zweiten darstellt. In beiden Fällen ist es erforderlich, dass der Täter Handlungen vornimmt, welche sich äußerlich als Amtstätigkeit darstellen.
Merke
§ 132 StGB nicht einschlägig, wenn der Täter nicht gegenüber einem Drittem auftritt, etwa wenn der Täter einen Strafzettel an sein eigenes Kfz heftet, um eine Verwarnung zu umgehen.
1. Öffentliches Amt
Beispiel
Ein öffentliches Amt ist jede hoheitliche Tätigkeit, die kraft staatlicher Autorität mit der Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung oder Rechtspflege verbunden ist.
Beispiel
Beispiel für öffentliche Ämter:
Verwaltungsbeamte,
Richter,
Polizeibeamte,
Zollbeamte,
Notare.
Keine Amtsträger im strafrechtlichen Sinne sind Soldaten!
Problematisch und in Klausuren beliebt ist die Frage, ob auch Rechtsanwälte ein öffentliches Amt ausüben. Fraglich ist also, ob sich auch derjenige wegen Amtsanmaßung strafbar macht, der Dritten gegenüber als Rechtsanwalt auftritt.
Beispiel
Ist die Tätigkeit als Rechtsanwalt ein öffentliches Amt im Sinne des § 132 StGB?
Eine Mindermeinung will in der Tätigkeit des Rechtsanwalts ein öffentliches Amt sehen. § 1 BRAO bestimmt, dass der Rechtsanwalt ein “unabhängiges Organ der Rechtspflege” ist und trägt vergleichbar zu staatlichen Organen zur Funktionsfähigkeit der Rechtspflege bei.
Die herrschende Meinung hingegen verneint. Der Anwalt handelt stets im privaten Auftrag seiner Mandanten und tritt nicht mit gleicher Autorität auf wie staatliche Organe.
Stellungnahme: Die herrschende Meinung überzeugt. Der Begriff des öffentlichen Amtes ist eng auszulegen und verlangt die tatsächliche Wahrnehmung staatlicher Hoheitsgewalt.
2. Sichbefassen mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes, § 132 Alt. 1 StGB
Die erste Tatbestandsalternative verlangt, dass sich der Täter mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befasst.
Definition
Sichbefassen bedeutet jedes Verhalten, das den Anschein erweckt, der Täter nehme ein öffentliches Amt in Anspruch und übe hoheitliche Befugnisse aus.
Wichtig ist dabei, dass der Täter nicht nur den Anschein erwecken muss, er sei Amtsträger, sondern dass er zugleich auch noch eine Handlung vornehmen muss, die sich als Ausübung des angemaßten Amtes darstellt.
Definition
Nicht ausreichend ist dabei das bloße Sichausgeben als Amtsträger:
A gibt sich als Kriminalbeamter aus, um vor seinen Freunden anzugeben.
B gibt sich in einem Hotel als Landgerichtspräsident aus, um bevorzugte Bedienung zu erhalten.
C bekleidet sich mit einer Polizeiuniform und stellt sich ohne weiteres Tun an die Straße (in diesem Fall aber Strafbarkeit nach § 132a StGB).
Hinzukommen muss eine Handlung, die den Anschein einer Amtshandlung erweckt:
A ruft anonym bei seinem nervigen Nachbarn NICHT an und weist ihn unter Vorspiegelung, er sei Polizeibeamter, an, den bellenden Hund an die Leine zu ketten.
B fährt hinter dem rasenden BMW-Fahrer R her und bewegt ihn durch Lichthupe zum Anhalten. Sodann tritt er ans Fenster und sagt: “Polizei, allgemeine Verkehrskontrolle. Führerschein und Fahrzeugpapiere.”
C bekleidet sich mit einer Polizeiuniform und “regelt” durch Handsignale den Verkehr auf einer Kreuzung.
3. Vornahme einer Handlung, die nur kraft öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, § 132 Alt. 2 StGB
Die zweite Tatbestandsalternative ist der Auffangtatbestand und setzt voraus, dass eine Handlung vorgenommen wird, die nur durch die staatliche Gewalt, also kraft öffentlichen Amtes, vorgenommen werden darf.
Definition
Hierunter fällt jedes Tun, das seiner Natur nach ausschließlich Amtsträgern vorbehalten ist, also eine originär hoheitliche Maßnahme darstellt.
Relevant wird diese Tatbestandsvariante immer dann, wenn der Täter den Eindruck eines hoheitlichen Handelns hervorruft, ohne eine Amtsträgerschaft vorzuspiegeln.
Beispiel
A fährt mit seinem mit einem Blaulicht ausgestatteten PKW durch die Stadt und veranlasst andere Verkehrsteilnehmer, Vorfahrt zu gewähren.
B verhaftet den D mit dem Verweis darauf, er sei zu schnell gewesen und hätte seinen auf der Straße spielenden Sohn S gefährdet.
Der im Bauamt tätige C “lädt” den Bauherrn H in die Behörde und “vernimmt” ihn zu der Frage, ob er sich wegen Betruges gegenüber den Käufern des Hauses strafbar gemacht habe.
4. Unbefugt
Weiterhin gilt, dass sich der Täter unbefugter Weise mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befasst, beziehungsweise eine Handlung vorgenommen hat, die nur kraft öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf.
Definition
Unbefugt handelt, wer nicht durch Gesetz, behördliche Anordnung oder sonstige Rechtsvorschrift zur Ausübung eines öffentlichen Amtes oder zur Vornahme einer hoheitlichen Handlung ermächtigt ist.
Klausurtipp
„Unbefugt“ ist keinesfalls in der Rechtswidrigkeit zu prüfen. Hierbei handelt es sich um ein objektives Tatbestandsmerkmal, das daher auch vom Vorsatz umfasst sein muss.
Zu beachten ist, dass auch ein Amtsträger § 132 StGB begehen kann, wenn er seine Kompetenzen in einer Weise überschreitet, dass seine Handlung den Charakter eines anderen als des von ihm auszuübenden Amtes annimmt. Irrelevant sind dabei Verstöße gegen innerdienstliche Vorschriften.
Beispiel
Kommunalbeamter in der Bauaufsicht tritt als Amtsarzt derselben Behörde auf und nimmt ärztliche Untersuchungen in einer Schule vor: § 132 (+)
Polizeibeamter vernimmt einen Zeugen in einem Ermittlungsverfahren, für das er sachlich und örtlich nicht zuständig ist, um Einfluss auf den Gang der Ermittlungen zu nehmen: § 132 (-), da lediglich Verstoß gegen innerdienstliche Vorschriften, ohne Überschreitung der Allgemeinzuständigkeit eines Polizeibeamten
5. Subjektiver Tatbestand
Im Rahmen des subjektiven Tatbestandes ist zu prüfen, ob der Täter hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale mindestens mit dolus eventualis gehandelt hat.