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7. Abschnitt: Straftaten gegen die öffentliche Ordnung

§ 123 StGB (Hausfriedensbruch)

Teilgebiet

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Thema

7. Abschnitt: Straftaten gegen die öffentliche Ordnung

Tags

Einwilligung
Rechtfertigende Einwilligung
Einverständnis
Tatbestandsausschließendes Einverständnis
Unterlassen
Unechte Unterlassungsdelikte
Hausfriedensbruch
Widerrechtliches Eindringen
Verweilen trotz Aufforderung
Verweilen
Befriedetes Besitztum
Abgeschlossene Räume
Zugangshürde
Berechtigter
§ 123 StGB
§ 13 StGB
§ 124 StGB
Gliederung
  • I. Allgemeines

  • II. Prüfungsschema

  • III. Tatobjekt

    • 1. Wohnung

    • 2. Geschäftsraum

    • 3. Befriedetes Besitztum

    • 4. Abgeschlossene Räume des öffentlichen Dienstes oder Verkehrs

  • IV. Tathandlung

    • 1. Widerrechtliches Eindringen, § 123 I Alt. 1 StGB

      • a) Betreten

      • b) Tatsächliche Zugangshürde

      • c) Berechtigter

      • d) Sonderfall: Generelle Zutrittserlaubnis

    • 2. Verweilen trotz Aufforderung, § 123 I Alt. 2 StGB

    • 3. Sonderkonstellation: Eindringen durch Unterlassen, § 123 I Alt. 1 i.V.m. § 13 I StGB

Dieser Artikel behandelt den Hausfriedensbruch nach § 123 StGB. Der Hausfriedensbruch eignet sich gut als Examensstoff, weil § 123 StGB eine Tatbestandsvariante enthält, die als echtes Unterlassungsdelikt gesondert geprüft werden muss.

I. Allgemeines

Systematisch steht § 123 I StGB im 7. Abschnitt des StGB Straftaten gegen die öffentliche Ordnung. An dieser Einordnung gibt es insbesondere aus dem Schrifttum Kritik. Die überwiegende Meinung vertritt, dass § 123 StGB lediglich das Hausrecht des Berechtigten schützt und nicht die öffentliche Ordnung oder den öffentlichen Frieden.

Während § 123 I Alt. 1 StGB als Begehungsdelikt zu qualifizieren ist, also durch aktives Tun verwirklicht wird (”Eindringen”), ist § 123 I Alt. 2 StGB als echtes Unterlassungsdelikt einzustufen (”Verweilen”).

Besonderheiten ergeben sich, wenn § 123 I Alt. 1 StGB auf § 13 I StGB stößt, indem das Eindringen durch ein Unterlassen im Sinne des § 13 StGB verwirklicht wird. Insofern handelt es sich dann um ein unechtes Unterlassungsdelikt.

Darüber hinaus ist aus § 123 II StGB erkennbar, dass es sich bei § 123 I StGB um ein sogenanntes Antragsdelikt handelt. Der Sachverhalt muss also vorgeben, dass alle eventuell notwendigen Strafanträge gestellt wurden.

II. Prüfungsschema

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III. Tatobjekt

1. Wohnung

Definition

Wohnung ist jeder umschlossene und überdachte Raum, der Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft, zur privaten Lebensgestaltung oder kurzfristigen Benutzung dient.

Beispiel

Auch Treppen, Flure und Keller, aber auch bewegliche Sachen wie ein Wohnmobil, Zelt oder Schiff fallen unter den Wohnungsbegriff.

2. Geschäftsraum

Definition

Geschäftsraum ist ein abgeschlossener, überdachter Raum, der hauptsächlich zum Betrieb von Geschäften, allerdings nicht notwendigerweise erwerbswirtschaftlichen Zwecken dient.

Beispiel

Büros, Ateliers, Supermärkte, Restaurants, Biergärten.

3. Befriedetes Besitztum

Definition

Befriedetes Besitztum ist ein in äußerlich erkennbarer Weise durch zusammenhängende Schutzwehren gegen das willkürliche Betreten durch Dritte abgegrenzter Bereich.

Beispiel

Grundstücke, die durch Mauern, Zäune, Hecken, Gräben etc. geschützt und abgegrenzt sind.

4. Abgeschlossene Räume des öffentlichen Dienstes oder Verkehrs

Definition

Abgeschlossene Räume des öffentlichen Dienstes oder Verkehrs sind Räume, die zur unmittelbaren Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder zur Erbringung von Verkehrsleistungen für die Allgemeinheit bestimmt und in äußerlich erkennbarer Weise baulich gegen das beliebige Betreten abgegrenzt sind.

Beispiel

Räume des öffentlichen Dienstes:

  • Schulen

  • Kindergärten (in öffentlicher Hand)

  • Kirchen

  • Behördengebäude

Räume des Verkehrs:

  • Bahnhöfe

  • Züge (Wagons)

  • Busse

IV. Tathandlung

1. Widerrechtliches Eindringen, § 123 I Alt. 1 StGB

Beispiel

Widerrechtliches Eindringen ist das Betreten eines geschützten Raumes gegen oder ohne den Willen des Berechtigten durch Überwindung einer tatsächlichen Zugangshürde.

In der ersten und der zweiten Tatbestandsalternative des § 123 I StGB versteckt sich das sogenannte tatbestandsausschließende Einverständnis. Dieses ist immer dann gegeben, wenn der Tatbestand, ohne dass der Täter gegen den Willen des Berechtigten handelt, schon gar nicht erfüllt werden kann.

Im Unterschied zur rechtfertigenden Einwilligung schließt die Zustimmung des Berechtigten beim Einverständnis den Tatbestand bereits aus, während die Zustimmung bei der rechtfertigenden Einwilligung die Rechtswidrigkeit, nicht aber den Tatbestand entfallen lässt. An die rechtfertigende Einwilligung werden deutlich höhere Anforderungen gestellt als an das tatbestandsausschließende Einverständnis. Gelangt der Täter etwa durch eine Täuschung an die Zustimmung des Berechtigten, berührt das die Wirksamkeit des tatbestandsausschließenden Einverständnisses grundsätzlich nicht, während die rechtfertigende Einwilligung wegen eines Willensmangels entfällt.

Vernetztes Lernen

Den genauen Unterschied zwischen tatbestandsausschließendem Einverständnis und rechtfertigender Einwilligung sowie die passenden Schemata kannst du dir im Artikel zur rechtfertigenden Einwilligung durchlesen.

a) Betreten

Für ein Betreten ist es bereits ausreichend, wenn mindestens mit einem Körperteil die Zugangshürde überwunden wird und der Täter so in den geschützten Bereich gelangt.

Beispiel

  • Der Täter stellt seinen Fuß zwischen die Tür und gelangt so in den geschützten Bereich

  • Der Täter lehnt sich über den Zaun, um eine Sache zu greifen

  • Der Täter greift durch ein gekipptes Fenster, um eine Sache zu stehlen

  • Der Täter greift mit seinem Arm durch das Kommunikationsfenster in die ansonsten umschlossene Fahrerkabine des Busses

b) Tatsächliche Zugangshürde

Definition

Eine tatsächliche Zugangshürde ist jede erkennbare physische Vorrichtung oder Abgrenzung, die das ungehinderte Betreten eines geschützten Raumes verhindert oder zumindest erkennbar erschwert.

Beispiel

  • Mit Plexiglas umschlossene Fahrerkabine

  • Geöffnetes Fenster

  • Zaun, Hecke

c) Berechtigter

Definition

Berechtigter ist, wer die tatsächliche Verfügungsgewalt über den geschützten Raum ausübt und befugt ist, über dessen Betreten oder Nichtbetreten zu entscheiden.

d) Sonderfall: Generelle Zutrittserlaubnis

Regelmäßig in Klausuren muss die sogenannte generelle Zutrittserlaubnis problematisiert werden. Dabei sind regelmäßig Fallgestaltungen relevant, in denen etwa ein Supermarkt generell jedem den Zutritt gewährt, der Eintretende aber deliktische Absichten verfolgt.

Beispiel

Kleinkrimineller K betritt den Supermarkt des S, um Wodka zu stehlen. Hat sich K wegen Hausfriedensbruch gemäß § 123 I StGB strafbar gemacht?

In diesen Fällen muss darauf abgestellt werden, ob der Berechtigte dem in deliktischer Absicht Eintretenden bereits nach dem äußeren Anschein den Zutritt verwehrt hätte. Man muss sich also die Frage stellen:

Hätte der Berechtigte nach seiner Vorstellung vom gewünschten Personenkreis dem Eintretenden wegen seines äußeren Erscheinungsbildes oder Verhaltens den Zutritt verwehrt?

Würde der K im obigen Beispiel etwa eine Skimaske tragen oder mit einem Messer bewaffnet den Laden betreten, hätte der S ihm den Zutritt aller Wahrscheinlichkeit nach verwehrt, sodass er gegen den Willen des S eingedrungen ist.

Entspräche das äußere Erscheinungsbild und das Verhalten des K jedoch dem vom S gewünschten Durchschnittskunden, also dem berechtigten Personenkreis, liegt kein Betreten gegen den Willen des Berechtigten vor. Dabei macht es keinen Unterschied, dass der K nur vorgetäuscht hat, zum berechtigten Personenkreis zu gehören.

2. Verweilen trotz Aufforderung, § 123 I Alt. 2 StGB

§ 123 I Alt. 2 StGB ist wie bereits erwähnt ein im Verhältnis zu Alt. 1 subsidiäres echtes Unterlassungsdelikt. Bestraft wird also das Unterlassen der Entfernung, obwohl der Berechtigte den Täter dazu aufgefordert hat. Diese Alternative greift meist dann, wenn der Täter sich zwar zunächst berechtigt im Raum befindet, dann aber vom Berechtigten zum Verlassen aufgefordert wird und dennoch verweilt.

Typisch für diese Alternative sind die sogenannten IKEA-Fälle, die in den 2010er Jahren Schlagzeilen gemacht haben:

Beispiel

A und B wollen für ihren YouTube-Kanal in einer IKEA-Filiale die Nacht verbringen. Dafür verstecken sie sich in dem großräumigen Geschäft. Kurz vor Geschäftsschluss werden alle im Geschäft verbleibenden Kunden mehrfach dazu aufgefordert, das Geschäft zu verlassen. Auch nach einem Kontrollgang der Angestellten, die mehrfach dazu aufrufen, den Laden zu verlassen, bleiben A und B versteckt und verbringen die Nacht im IKEA. Früh am nächsten Morgen werden A und B entdeckt, wobei der Filialleiter Strafantrag stellt.

3. Sonderkonstellation: Eindringen durch Unterlassen, § 123 I Alt. 1 i.V.m. § 13 I StGB

In dieser Konstellation sind Fälle relevant, in denen ein Garant die zu überwachende Person nicht am Eindringen hindert.

Beispiel

Vater V hindert seinen 13-jährigen Sohn S nicht daran, in die Garage des Nachbarn N einzudringen, um das Badminton-Set zu „entleihen“, weil V davon ausgeht, der geizige N könne seine zahlreichen Spielsachen auch mal der Gemeinschaft zur Verfügung stellen.

In diesem Fall hat der V eine Überwacher-Garantenstellung in Bezug auf sein minderjähriges Kind und hätte dafür Sorge tragen müssen, dass S nicht in die Räumlichkeiten des N eindringt. Das Hindern seines Kindes am Eindringen in die Räumlichkeiten des N war ihm auch zumutbar. Auch die hypothetische Kausalität, die Entsprechungsklausel sowie objektive Zurechnung und Vorsatz sind gegeben.

V ist gemäß §§ 123 I Alt. 1, 13 I StGB strafbar.

Vernetztes Lernen

In diesen Konstellationen muss das Schema unechtes Unterlassungsdelikt und das Schema des § 123 I Alt. 1 StGB kombiniert werden.

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