Interview: Erfolgreich durch das erste Staatsexamen – Tipps für Jurastudenten
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17.12.2024
Alexander und Leon, beide Jurastudenten aus Göttingen, haben kürzlich erfolgreich ihr erstes Staatsexamen abgeschlossen - für beide kam zusätzlich zum allgemeinen Examensdruck noch die die Einschränkungen der Corona-Pandemie als zusätzlicher Stress hinzu. In einem Interview teilen sie ihre Erfahrungen und geben wertvolle Tipps für diejenigen, die das Examen noch vor sich haben: Wie bereitet man sich inhaltlich vor, wie hält man dem Druck stand und wie sollte man während der Examensprüfungen am besten vorgehen?
Vorbereitung & Lernalltag
Frage: Wie sah bei euch die Vorbereitung auf das Staatsexamen aus?
Leon: „Unsere Vorbereitungszeit fiel leider in die Corona-Hochphase. Alles – das Repetitorium, die Vorlesungen und die Lerngruppen – fand online statt. Die Bedingungen waren also nicht gerade ideal.“
Alexander: „Normalerweise läuft das Repetitorium in Präsenz ab, aber für uns war das keine Option. Die Selbstkontrolle fehlte dadurch komplett, und auch der Austausch mit anderen Studierenden kam viel zu kurz.“
Leon: „Das war wirklich schwierig. Insgesamt hatte ich etwa vier Monate effektive Lernzeit abseits vom Repetitorium.“
Alexander: „Bei mir waren es sogar noch weniger. Rückblickend hätte ich viel mehr Zeit investieren müssen, weshalb ich beim ersten Versuch leider durchgefallen bin. Durch eine viel intensivere Vorbereitung im zweiten Anlauf konnte ich dann jedoch eine gute Punktzahl erzielen.“
Frage: Thema Repetitorium – Würdet ihr empfehlen, an einem Repetitorium teilzunehmen?
Alexander: „Das ist natürlich freiwillig, aber die meisten Jurastudenten entscheiden sich dafür. Alles allein zu lernen, ist extrem mühsam – klar, manche machen das, aber für mich war das keine Option. Im Repetitorium bist du gezwungen, konsequent zu bleiben und täglich dabei zu sein. Der Austausch mit Kommilitonen motiviert zusätzlich, nach den Kursen noch weiterzulernen.“
Leon: „Absolut! Diese Routine hat mir enorm geholfen. Du weißt, dass du jeden Tag hingehen musst und es bleibt kaum Raum für Prokrastination. Man muss das wie einen Vollzeitjob sehen, denn eine Examensvorbereitung steht dem vom Stress und Aufwand her in nichts nach und geht oft sogar deutlich darüber hinaus.“
Frage: Welche Lernunterlagen habt ihr genutzt?
Leon: „Ich halte es für hilfreich, verschiedene Arten von Unterlagen zu nutzen und das herauszusuchen, was zum eigenen Lerntyp passt. Einfach mal ausprobieren.“
Alexander: „Aber man sollte nicht zu lange ausprobieren, sondern muss sich irgendwann auch festlegen. Sonst verliert man wertvolle Zeit, die man eigentlich für das Lernen und Üben benötigt und macht sich verrückt, indem man auch noch die x-te Lernmethode ausprobiert. Und lasst euch nicht von der riesigen Menge an verschiedenen Unterlagen überwältigen beziehungsweise versucht es - das geht allen so.“
Leon: „Genau. Es ist auch sinnvoll, sich auf einen Anbieter zu konzentrieren, der als ‚Säule‘ dient. Alles andere kann als Zusatz betrachtet werden, einfach um den Überblick zu behalten. Gutes Equipment, wie ein leistungsstarker Laptop, ist ebenfalls nicht zu unterschätzen.“
Alexander: „Ich kann nur empfehlen, die Lernunterlagen selbst zu erstellen und so gut es geht miteinander zu verknüpfen. Selbst erarbeitete Notizen bringen einfach mehr und helfen euch die Systematik besser zu verstehen, weil ihr dort Schwerpunkte setzen und dort eine Verknüpfung machen könnt, wo ihr es für euren Lernfortschritt braucht - das hast du in Lehrbüchern nicht. Achtet darauf, so zu planen, dass eure Unterlagen rechtzeitig fertig werden, damit ihr sie auch noch lernen und wiederholen könnt.“
Leon: „Das muss jeder selbst herausfinden. Ich habe viel handschriftlich gearbeitet, andere lesen lieber oder erstellen sich mehr visuelle Unterlagen - für mich war es am Ende einfach wichtig ins “Doing” zu kommen und nicht nur passiv Inhalte in der Vorlesung aufzunehmen. Abgesehen davon, dass natürlich die Grundlagen sicher beherrscht werden müssen, ist das Schreiben von Klausuren meiner Meinung nach der wichtigste Aspekt der Vorbereitung. Wer jede Woche Übungsklausuren schreibt und diese ordentlich nachbearbeitet, wird früher oder später an einen Punkt kommen, an dem er den überwiegenden Teil aller Klausuren besteht. Das ist auch psychisch ein wichtiger Faktor für die Examensprüfung. Dann kann man sich selbst sinngemäß sagen: Ich habe so viele Klausuren bestanden, dann werde ich auch sicher bestehen.“
Frage: Wie sah ein typischer Lernalltag in der Examensvorbereitung für euch aus?
Leon: „Für mich war es wichtig, eine Routine zu entwickeln und einfach dranzubleiben. Jeden Tag in die Bibliothek zu gehen, ohne groß darüber nachzudenken, war mein Schlüssel.“
Alexander: „Ja, vielen hilft es auch, den Lernstoff für die Tage und Wochen genau zu planen. Das gibt einem das Gefühl, alles gut im Griff zu haben. Wenn man dazu noch eine Lerngruppe hat, hilft das, die Disziplin zu bewahren und am Ball zu bleiben.“
Leon: „Ich habe das lockerer gehandhabt. Wenn ich gemerkt habe, dass ein Thema mehr Zeit braucht, habe ich mir diese Zeit genommen. Jeder muss da seinen eigenen Weg finden.“
Alexander: „Mir war es auch noch wichtig, die Zeit in der Bibliothek als Arbeit zu sehen. Kein Handy und kein Zuspätkommen. Danach einfach abschalten, um am nächsten Tag wieder voller Energie durchstarten zu können.“
Die Prüfung
Frage: Wie ging es euch während der schriftlichen Prüfung?
Leon: „Es ist alles nur halb so schlimm, wie man denkt. Natürlich ist auch die Prüfungssituation eine Extremsituation und mit starkem Stress verbunden. Egal, wie viel man gelernt hat oder wie sicher man sich eigentlich fühlt, am Tag der ersten Klausur ist jeder nervös. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass man es zu einem guten Teil selbst in der Hand hat, wie stressig es letztendlich wird. Wenn man weiß, dass man im Vorfeld ausreichend gelernt und Klausuren geschrieben hat, ist die Prüfungssituation natürlich auch psychisch eine andere, als wenn man weiß, dass man schlecht vorbereitet in die Klausur geht. Denn das, was den meisten die größten Sorgen bereitet, ist die Angst vor dem Durchfallen. Aber eines darf man meiner Meinung nicht vergessen: Welche Note am Ende herauskommt, ist von vielen Faktoren und auch zu einem Teil vom Glück abhängig: Welches Thema kommt dran, was für einen Korrektor bekomme ich, wie ist dieser Korrektor bei der Korrektur drauf und vieles weitere. Aber ob man besteht oder nicht, hat man im Normalfall selbst in der Hand. Egal, wie viel man lernt, man wird nicht garantieren können, dass die erhoffte Note herauskommt. Es ist aber möglich, soweit ausreichend zu lernen, dass man zumindest das Bestehen garantieren kann.”
Alexander: „Ich denke, wie ‚schlimm‘ es ist, hängt stark von der Vorbereitung ab. Wenn du wirklich konsequent gelernt hast, kannst du die Prüfung auch lockerer angehen.“
Leon: „Mindestens vier, besser fünf Monate intensives Lernen sollte man schon einplanen, dann bringt man auf jeden Fall etwas aufs Papier. Man sollte sich auch von dem Gedanken verabschieden, dass man die Klausur umdreht und in jedem Fall sofort weiß, worum es geht. Viele Klausuren sind gerade so gestellt, dass man sie nicht kennt oder denkt, dass man sie kennt. Auch wenn man das Gefühl hat, dass man das Urteil kennt, auf dem die Klausur aufbaut, sollte man nicht zu vorschnell handeln. Nicht allzu selten wird der Sachverhalt etwas abgeändert, sodass die ‚Originallösung', die man im Zweifel auswendig im Kopf hat, nicht mehr passt. Man sollte sich in jedem Fall die Zeit nehmen, den Sachverhalt intensiv zu lesen, sodass man sich sicher sein kann, nichts übersehen zu haben. “
Alexander: “Und auch wenn man tatsächlich überhaupt keine Ahnung hat und mit einem Gesetz oder Vorschriften konfrontiert wird, die man sich vorher noch nie angeschaut hat, darf man nicht verzweifeln. In keinem Fall darf man in Panik verfallen. Man muss sich darauf verlassen, dass man Jura in den ganzen Jahren gelernt hat und mit dem vermittelten “Handwerkszeug” auch solche Klausuren meistern kann - so klischeehaft das klingt. Und so wird es in der Regel sein. Auch völlig unbekannte Klausuren werden nach dem dritten Mal Lesen Sinn machen.
Leon: “Ja, das stimmt, so habe ich es auch empfunden. Ich hatte eine Klausur, bei der ich keine Ahnung hatte, was ich machen soll. Nach dem zweiten Mal Lesen war ich kurz davor in Panik zu verfallen. Dann habe ich mich kurz zurückgelehnt, eine Banane gegessen und mich beruhigt. Nach dem dritten Mal Lesen des Sachverhalts und klarem Verstand konnte ich dann schon deutlich mehr mit dem Sachverhalt anfangen.
Frage: Wie habt ihr im Vergleich dazu die mündliche Prüfung empfunden?
Alexander: „Vor der mündlichen Prüfung muss man sich wirklich keine großen Sorgen machen.“
Leon: „Die mündliche Prüfung ist im Vergleich zum schriftlichen Teil entspannter. Die Prüfer wissen, wie aufgeregt man ist, und behandeln einen entsprechend - zumindest bei uns in Niedersachsen. Dennoch sollte man auch darauf vorbereitet sein. Wirkliche “Horrorgeschichten” von mündlichen Prüfungen gibt es aber eigentlich nicht.“
Frage: Was hättet ihr gerne vorher gewusst?
Alexander: „Bereitet euch mental auf die Prüfung vor, damit sie euch nicht überrollt. Denkt auch rechtzeitig an alle Kleinigkeiten rund um die Prüfung, wie funktionierende Stifte, aktuelle Gesetze, Getränke, Uhr etc., damit euch diese Sachen keinen zusätzlichen Stress machen.“
Leon: „Nehmt euch auf jeden Fall die Zeit, die Prüfung zu strukturieren. Das lernt man am besten durch Übungsklausuren. ‚Wer schreibt, der bleibt‘ ist nicht umsonst ein Sprichwort – einfach üben, üben, üben, dann klappt das schon.“
Alexander: „Das sehe ich genauso. Wenn man viele Übungsklausuren geschrieben hat, ist das Durchfallen fast unmöglich, denn man weiß ungefähr, wie man vorgehen muss und man kriegt zumindest eine brauchbare Lösung hin.“
Allgemeine Tipps
Frage: Welchen allgemeinen Tipp würdet ihr Studienanfängern mitgeben?
Leon: „Findet das richtige Mittelmaß zwischen Lernen und Freizeit. Es muss eine Balance geben, damit das Studium erträglich bleibt und ihr euch den Spaß an den spannenden Inhalten bewahrt.“
Alexander: „Das Studium wird so oder so stressig - man braucht einen Ausgleich, um das gut zu bewältigen. Das hilft enorm.“
Leon: „Ob es nun Sport ist oder ein Treffen mit Freunden – Hauptsache, man hat Zeit, in der es mal nicht um Jura und die Uni geht. Viele nehmen sich auch einen Tag oder zwei Tage pro Woche, an dem sie gar nicht lernen. Jeder muss dabei das finden, was für ihn individuell am besten funktioniert. Die ersten Jahre des Studiums hat man viel Zeit, das herauszufinden.“
Frage: Was hat euch das Jurastudium neben dem Abschluss gebracht?
Alexander: „Ich habe wieder Struktur und Disziplin in mein Leben gebracht. Vor allem während Corona habe ich oft einfach in den Tag hineingelebt. Das hat sich durch die Examensvorbereitung total zum Positiven verändert.“
Leon: „Es gibt einem auch Selbstbewusstsein, wenn man den Druck des Examens durchhält. Man lernt, auch in anderen Situationen besser mit Stress umzugehen.“
Zusammenfassung der wichtigsten Tipps
Routine entwickeln und diszipliniert bleiben
Findet einen eigenen Rhythmus, der euch hilft, am Ball zu bleiben. Routinen helfen, um die Disziplin in der langen Vorbereitungsphase für das Examen zu bewahren, weil ihr nicht “denken” müsst, um zu lernen, sondern einfach “macht”.Übungsklausuren schreiben
Jeder weiß es, aber nur wenige machen es: Schreibt so viele Klausuren wie möglich. Nicht weil ihr jedes Mal eine perfekte Lösung wollt, aber weil ihr lernt, mit dem Zeitdruck und der Arbeitsweise in einer 5-stündigen Klausur umzugehen. Das gibt euch Sicherheit und verhindert einen Blackout in der Klausur. Wenn ihr wisst, wie ihr die 5 Stunden strukturieren könnt, müsst ihr keine Sorge vor dem Durchfallen haben.Lerngruppe als Leidensgemeinschaft
Nehmt euch Zeit für euch selbst, für eure Freunde und eure Familie. Gemeinsam mit Kommilitonen zu lernen motiviert euch, bringt euch inhaltlich weiter und hilft, die schwierige Phase durchzuhalten. Plant euch aber auch bewusst Zeit abseits von Jura ein, um ab und zu auch Abstand zur Examensvorbereitung zu bekommen.
Abschließend kann man sagen, dass fast alle Jurastudenten dieselben Erfahrungen durchmachen. Nur die Wenigsten ,fliegen’ durch das Studium und scheinen dabei nie mit großen Problemen konfrontiert zu sein. Die Realität ist aber, dass eigentlich jeder Momente und Zeiten im Studium erleben wird, die alles andere als angenehm sind. Man fällt durch Klausuren, verpasst eine Anmeldung, hat das Gefühl, den Anschluss zu verlieren, verliert sich in der Masse der Lernunterlagen und viele weitere Sachen, mit denen man klarkommen muss. Spätestens wenn man in der Examensvorbereitung in der Bibliothek sitzt und weiß, dass die Klausuren bald bevorstehen, verliert jeder gefühlt fast den Verstand. Aber wenn du weißt, dass du das getan hast, was du machen konntest und im besten Fall deine Leidensgenossen und Freunde um dich herum hast, wirst du das Examen trotz allem gut meistern und am Ende stolz auf das sein, was du geleistet hast!